01/10/2022
 6 Minuten

9 Funktionen, eine Uhr – der „Super-Chronograph“ von Nivada

Von Sebastian Swart
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Neun Funktionen in nur einer Armbanduhr – Anfang der 1960er-Jahre konnte dies nur ein Chronograph: die Nivada Grenchen Chronomaster Aviator Sea Diver. Der etwas sperrige Name verrät bereits, dass die bis heute beliebte Uhr sich in allen Disziplinen der Zeitmessung zu Hause fühlt. Nivada produzierte die Chronomaster bis in die Mitte der 1970er-Jahre hinein in relativ hoher Stückzahl, wodurch auch gut erhaltene Exemplare am Markt ausreichend verfügbar sind. In den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage nach hochwertigen Vintage-Uhren spürbar an, was auch die Preise der Chronomaster beflügelte. 

Die im Jahr 2018 wiederbelebte Marke Nivada Grenchen präsentierte 2020 neue Modelle der Chronomaster mit moderner Technik. Optisch wie proportional blieb erfreulicherweise fast alles beim Alten. Dadurch geriet der Chronograph in den Fokus von Uhrenfreunden, die neben dem ansprechenden Design auch Wert auf Ganggenauigkeit und Alltagstauglichkeit legen. Erfahren Sie hier alles Wichtige zu den Vintage-Chronomaster-Modellen sowie zur Neuauflage. 

Nivada Chronomaster Aviator Sea Diver: Der Super-Chronograph

Die Uhrenmarke Nivada steht seit jeher für Qualität und Robustheit.
Die Uhrenmarke Nivada steht seit jeher für Qualität und Robustheit.

Nivada präsentierte den optisch ansprechenden Chronographen Chronomaster Aviator Sea Diver erstmalig im Jahr 1961 als Multifunktions-Toolwatch mit neun Funktionen. So war die 100 m wasserdichte Chronomaster damals der erste Zeitmesser, der eine Stoppuhr mit Tachymeterskala, Taucheruhr, Fliegeruhr, Timer, Yachting-Timer und GMT-Anzeige vereinte. Ganz nebenbei konnte ihr Träger auch noch die aktuelle Uhrzeit ablesen. In den damaligen Printanzeigen bewarb Nivada die Chronomaster mit den Slogans „Super-Chronograph“ und „The world’s busiest watch – has more uses than ever counted“. 

Prominente Chronomaster-Träger gab es wenige. Nachgewiesen ist, dass der US-amerikanische Filmschauspieler Brian Kelly eine Nivada Chronomaster im 1966er Science-Fiction-Film Unter Wasser rund um die Welt und in der Fernsehserie Flipper trug. 

Aufgrund namensrechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Uhrenhersteller Movado musste Nivada seine Uhren in den USA schon ab den 1930er-Jahren unter dem Namen Croton vermarkten. Die Croton Watch Co. Inc. wurde 1873 in New York gegründet. Sie war darauf spezialisiert, Uhren aus Schweizer und amerikanischen Komponenten herzustellen und in den USA zu vertreiben. 

Wenn Ihnen die Nivada Chronomaster Aviator Sea Diver gefällt und Sie bei Ihrer Kaufrecherche auf den Namen Croton stoßen, dann handelt es sich also um absolut baugleiche Modelle, die für den US-amerikanischen Markt produziert wurden. Identisch sind auch sehr seltene Exemplare, die unter den Namen Pierre Vallee, Rudolph’s, Austin, Guildcrest, Sussex oder Le Marc existierten bzw. die Jahrzehnte bis heute überdauert haben. 

Nivada had to sell watches under the name Croton in the US.
Nivada musste in den USA unter dem Namen Croton verkaufen

Details zu Vintage Nivada Chronomaster-Modellen

Aufgrund der rund 15-jährigen Bauzeit gibt es sehr viele verschiedene Chronomaster-Referenzen mit über 50 verschiedenen Zifferblattvarianten. Da die Unterschiede jedoch meist in Details der Zifferblatt- und Zeigergestaltung liegen, ist eine Nivada-Chronomaster immer als solche zu erkennen. 

Allen Varianten gemeinsam ist ihr Bicompax-Zifferblatt mit Totalisatoren bei 3 und 9 Uhr. Bei der Zifferblattfarbe dominierte über die insgesamt sechs Generationen hinweg die Farbe Schwarz, ab der zweiten Generation gab es jedoch auch einige Referenzen, die ein sogenanntes Panda-Dial mit weißem bzw. silbernem Blatt und schwarzen Totalisatoren besaßen. Sogar ein „Paul Newman“-Blatt schaffte es in die Chronomaster. Wie bei der Rolex Daytona Paul Newman ist dieses weiß und besitzt schwarze Totalisatoren mit der für das Modell charakteristischen Typografie. 

Die Uhren wurden ausschließlich mit einem etwa 38 mm großen Gehäuse aus Edelstahl produziert, dessen Design sich auf den ersten Blick kaum veränderte. Die Gehäuse besitzen gerade Hörner, die bis einschließlich der fünften Generation durchbohrt waren. Unterschiedliche Kaliber erforderten jedoch eine gewisse Anpassung, die sich vor allem in der Bauhöhe und dem Gehäuseprofil bemerkbar machten. 

Nivada verwendete für die allererste Generation das Kaliber Venus 210. Bereits 1962 hielt das Valjoux 92 Einzug in das Gehäuse. Für die dritte Generation wechselte Nivada Mitte der 1960er-Jahre auf das Valjoux 23, das später durch die Uhrwerke Landeron 248 und das Valjoux 7733 abgelöst wurde. Modelle mit letzteren beiden wurden in der vierten bis zur sechsten Generation und bis etwa Mitte der 1970er-Jahre produziert. Diese waren jedoch nur noch unter dem Croton-Label erhältlich. 

Chronomaster Croton Referenz 105/903006 mit Landeron 248, (vierte Generation)
Chronomaster Croton Referenz 105/903006 mit Landeron 248, (vierte Generation)

Zur gleichen Zeit überschwemmten neuartige und präzisere Quarzuhren aus Japan den europäischen Markt, was die sogenannte Quarzkrise bedingte. Die Folge: Mechanische Uhren waren praktisch über Nacht und über viele Jahre hinweg nicht mehr gefragt. Dies führte zu einem Massensterben vieler traditioneller Schweizer Uhrenhersteller. Leider ereilte dieses Schicksal gegen Ende der 70er auch Nivada Grenchen. 

Die wichtigsten Vintage-Referenzen und Preise

Das wohl bekannteste Modell der Nivada Chronomaster stammt aus der ersten Generation (1961) und trägt die Referenznummer 8221. Die mit dem Venus 210 ausgestattete Uhr besitzt ein schwarzes Zifferblatt mit schwarzen Totalisatoren. Ein roter Farbtupfer befindet sich lediglich auf dem Time-Out-Zähler des Totalisators bei 3 Uhr. Diesen Zähler haben die meisten folgenden Chronomaster-Modelle gemeinsam. Typisch für die für 8221 und weitere Varianten der ersten und zweiten Generation sind die Broad-Arrow-Zeiger. 

Wie bei fast allen beliebten Vintage-Uhren zogen die Preise auch für dieses Modell in den vergangenen Jahren kräftig an. Konnte man die 8221 noch vor ca. 8 Jahren für 600 EUR bis 800 EUR im ausgezeichneten Zustand kaufen, sind heute Preise deutlich oberhalb von 2.000 EUR keine Seltenheit. Je nach Zustand und Zubehör verlangen Händler auch um 4.000 EUR. Ob diese Preise auch realisiert werden, liegt am Verhandlungsgeschick des Käufers. In der Nachfolgerin der zweiten Generation (Ref. 105/x) tickt das Kaliber Valjoux 92. Die Preise gestalten sich hier vergleichbar. 

Chronomaster Ref. 8221, erste Generation mit Venus 210 und Broad Arrow Zeigern
Chronomaster Ref. 8221, erste Generation mit Venus 210 und Broad Arrow Zeigern

Ein weiteres populäres Modell trägt die Referenznummer 85004/4076. Die auch unter dem Spitznamen „Orange Boy“ bekannte Chronomaster ist mit dem Valjoux 23 ausgestattet. Die Zusatzbezeichnung verdankt die Uhr dem orangen Yachting-Timer auf dem Totalisator bei 3 Uhr, sowie dem orangen dreieckigen Stoppsekundenzeiger. Ein weiterer optischer Unterschied zu älteren Chronomaster sind die ansonsten grauen Totalisatoren sowie Obelisk-Zeiger für Stunden, Minuten und Hilfszifferblätter. Diese Referenz ist äußerst gefragt und selten. Je nach Zustand sollten Sie daher mit Preisen zwischen 3.000 EUR und 4.000 EUR rechnen. 

Die Referenz 85004/3730 ist ebenfalls begehrt und mit dem Valjoux 23 ausgestattet. Auffällig sind hier die roten Farbakzente, die Sie auf dem Yachting-Timer und dem komplett roten Lollipop-Zeiger finden. Die Preise gestalten sich hier ähnlich zu denen der Orange Boy. Nivada Chronomaster mit Panda-Zifferblatt sind deutlich seltener als Varianten mit schwarzem Blatt. Je nach Kaliber und Zustand liegen die Preise daher tendenziell etwas höher. 

Chronomaster Ref. 85004/3181 mit Valjoux 23 und Lollipop-Zeiger, zweite Generation
Chronomaster Ref. 85004/3181 mit Valjoux 23 und Lollipop-Zeiger, zweite Generation

2020 – die Wiedergeburt der Chronomaster

Uhren im Retro-Design und mit moderner Technik liegen bereits seit vielen Jahren im Trend. Große Hersteller wie Longines, TAG Heuer, Blancpain oder Breitling stellen in regelmäßigen Abständen neue Zeitmesser vor, die von den eigenen Ikonen früherer Jahre inspiriert oder komplett nachempfunden sind. Die immer größer werdende Popularität der Chronomaster Vintage-Modelle veranlasste den jungen Unternehmer und Gründer der Uhrenmarke William L. 1985, Guillaume Laidet, dazu, die Marke Nivada im Jahr 2018 wiederzubeleben und die Chronomaster wenig später zurück auf die Bildfläche zu holen. 

Wenn Ihnen die Chronomaster gefällt, Ihnen Vintage-Exemplare aber zu wenig alltagstauglich oder zu teuer erscheinen, dann sollten Sie einen Blick auf die 2020 vorgestellten Re-Editionen werfen. Nivada präsentierte insgesamt zehn Handaufzugsversionen, deren Herzstück das Sellita Kaliber SW510 M BH b bildet. Auch als Freund automatischer Chronographen kommen Sie auf Ihre Kosten, denn vier Varianten stattet Nivada mit dem Sellita Kaliber SW510 BH b aus. Neben verschiedenen Zifferblattfarben und Zeigerkombinationen entschied sich Nivada außerdem dazu, dem Käufer die Wahl zwischen weißer Superluminova oder dunkler Vintage-Lume zu lassen. 

Im Gegensatz zu vielen Uhrenherstellern, die Ihre Zeitmesser im Retro-Design unnötig aufblasen, beließ Nivada den Durchmesser des Edelstahlgehäuses bei exakt 38,3 mm. Zifferblattdesign, Indizes, Zeiger und Lünette entsprechen ebenfalls praktisch vollständig den Original-Designs aus den 1960er- und 70er-Jahren. Lediglich das Plexiglas musste einem zeitgemäßen Glas aus Saphirkristall weichen. Damals wie heute bietet der Chronograph eine Wasserdichtigkeit von 100 m (10 bar). 

Jede Variante ist in Kombination mit verschiedenen Armbändern aus Edelstahl, unterschiedlichen Lederbändern oder an einem Kautschukband erhältlich, sodass sich insgesamt eine große Auswahl ergibt. Es kann also durchaus schwerfallen, sich für die richtige Variante zu entscheiden. 

Die Referenzen 86014M und 86007M mit schwarzem Zifferblatt und Broad Arrow-Zeigern kommen dem Vintage-Modell 8221 von 1961 am nächsten. Mit der Referenznummer 86012M bietet Nivada eine Neuinterpretation der Orange Boy 85004/4076 an, während die 86010M im Panda-Look daherkommt. Die Referenz 86011M ist die beste Alternative zur Vintage 8500/3730 mit Lollipop-Zeiger. 

Aktuelle Chronomaster 86012M, Neuauflage der Orange Boy 85004/4076
Aktuelle Chronomaster 86012M, Neuauflage der Orange Boy 85004/4076

Die Preisgestaltung ist für das Gebotene sehr angemessen und durchaus noch budgetfreundlich. So kosten alle Handaufzugsvarianten am Stahlarmband rund 1.530 EUR, während die automatischen Modelle bei knapp über 1.700 EUR liegen. Einziger Wermutstropfen: Die Uhren werden aus der Schweiz verschickt und sind in Deutschland zollpflichtig. 

Fazit

Die Nivada Chronomaster Aviator Sea Diver ist ein optisch eigenständiger wie ansprechender Chronograph, der sich qualitativ sowohl als Vintage-Uhr, als auch im Neuzustand auf Augenhöhe mit weitaus bekannteren Marken und deren Modellen befindet. Vintage-Exemplare sind beliebt und in gutem Zustand auf jeden Fall sammelwürdig. Stimmen alle Kaufparameter und der Preis, steht einem Kauf nichts im Weg. Deutlich günstiger dürften die Uhren nicht werden, und für viele Sammler gilt das Modell längst als Kultuhr. 

Bei der Neuauflage ist es Nivada mit Bravour gelungen, das zeitlos schöne Design praktisch 1:1 ins neue Jahrtausend zu überführen. Was aber noch besser ist: Mit der Größe des Originals, dem originalgetreuen Gehäuse und den durchbohrten Hörnern transportiert die Uhr trotz Saphirglas und voller Alltagstauglichkeit Vintage-Feeling pur. Von dieser Authentizität könnten sich andere Hersteller bei ihren Retro-Uhren durchaus eine Scheibe abschneiden – schöne Grüße an TAG Heuer und die Autavia. 


Über den Autor

Sebastian Swart

Chrono24 nutze ich privat bereits seit vielen Jahren zum An- und Verkauf, aber auch zur Recherche. Von Uhren bin ich fasziniert, solange ich denken kann. Bereits …

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