09/10/2019
 8 Minuten

Auf welche Männeruhren sollten auch Frauen ein Auge werfen?

Von Pascal Gehrlein
Men’s Watches Every Woman Should Know and Love_2_1

Men’s Watches Every Woman Should Know and Love

Kontraste fallen auf, machen einen Look interessant und fordern feste Normen heraus. Ein Beispiel: Der sogenannte Boyfriend-Style. Dieser ist keineswegs alleine Kleidungsstücken wie Jeansjacken oder Oversize-Pullovern vorenthalten, denn viele Damen mögen es auch, wenn ihre Uhr etwas maskuliner daherkommt. Während Männer vor dem Tragen typischer Frauenuhren eher noch zurückschrecken, haben Frauen oft kein Problem damit, sich auch bei männlichen Accessoires zu bedienen – und genießen dadurch ganz nebenbei eine größere Auswahl an Uhren.

Ohne an dieser Stelle zu politisch zu werden – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Uhrenindustrie verschwimmen die Geschlechtergrenzen zunehmend. Natürlich gibt es nach wie vor Marken wie Chanel, die mit ihren Kollektionen die Damenwelt im Blick haben. Doch auch hier bewegt sich das Design einzelner Modelle, wie man bei der diesjährigen Baselworld sehen konnte, durch Größe, Form und Material zunehmend in eine maskulinere oder zumindest Unisex-Richtung. Wie so oft werden Trends in diesem Bereich von Prominenten gesetzt. Auf Instagram entdeckt man Promi-Damen wie Cameron Diaz oder Charlize Theron, die bei einem L.A. Laker’s Spiel die Zeit an einer 44 mm Rolex Sea-Dweller abliest und damit auch uhrentechnisch mit anderen Sea-Dweller-Trägern wie David Beckham auf Augenhöhe ist. Mittlerweile dürfte vielen Uhrenfans auch die beeindruckende Sammlung der US-amerikanischen Moderatorin Ellen DeGeneres bekannt sein. Ob Yacht-Master, Paul Newman Daytona oder Patek Philippe Nautilus – die Kollektion ist beeindruckend und die üblichen Verdächtigen Damenuhren wie Cartier Ballon Bleu oder Lady Datejust sucht man (zumindest bei öffentlichen Auftritten) vergebens. Ein bewusstes Statement? Ganz bestimmt!

Natürlich kommen solche Entwicklungen (wenngleich etwas langsamer als in anderen Branchen) auch in der Schweiz an. Einige Marken verzichten beispielsweise bewusst auf eine reine Herren- und Damenkollektion und bringen Uhren offiziell als Unisex-Modell heraus, wie z.B. Audemars Piguet mit der Code 11.59 Linie. Marken wie Tudor ernennen Lady Gaga als neue Markenbotschafterin. Dabei trägt Gaga unter anderem die Tudor Heritage Black Bay mit 41 mm am Textilband und keine Uhr aus der ebenfalls vorhandenen Damenkollektion. Damit wäre die Beweisführung abgeschlossen und die zunehmende Beliebtheit von Männeruhren an Damenhandgelenken belegt. Doch stellt sich für mich die Frage: Gibt es Herrenuhren bestimmter Marken und Modelle, auf die es die Damen besonders abgesehen haben (könnten)? Ein kleiner Disclaimer: Ich stellte mich der Herausforderung, Uhren fernab von Rolex Submariner, Day-Date und Co. zu finden.

Tudor Black Bay 58: Sportliches Understatement mit Vintage-Flair

Tudor Black Bay 58, Foto: Bert Buijsrogge

Die Größe der Uhr spielt beim Kauf, egal ob Mann oder Frau, eine entscheidende Rolle. Werfen wir einen Blick in unsere Marktplatz-Daten, dann stellen wir fest, dass (gemessen an den Verkäufen) die meisten Damen-Uhren mit einem Durchmesser von 31 mm oder 36 mm bevorzugen. Die typische Größe einer Datejust, der meistverkauften Damenuhr auf Chrono24. Doch betrachten wir nicht nur das aktuelle Jahr, sondern die letzten drei Jahre, dann stellen wir fest, dass der Anteil der verkauften Uhren, die größer sind als 36 mm deutlich zunimmt. Zudem setzt auch die Mehrheit der Damen noch immer auf Uhren aus Stahl.

Die Tudor Black Bay passt dazu perfekt. Tudor reagierte pünktlich zur Baselworld 2018 auf die Community und veröffentlichte eine kleinere und vor allem flachere Version der beliebten Heritage Black Bay. Statt wie üblich 41 mm misst diese Version lediglich 39 mm. Damit ist die Uhr 3 mm größer als die bei vielen Frauen so beliebte Tudor Black Bay 36, aber am Handgelenk weniger präsent als die älteren Modelle. Neben dem willkommenen Downsizing hat die Black Bay 58 auch einige Design-Details, die bei Damen gut ankommen könnten. Trotz sportlich-robustem Taucheruhr-Design bietet diese Tudor gleichzeitig einen Vintage-Look, der durch goldene Indizes und rote Details, den „reinen“ Toolwatch-Auftritt gekonnt ausbalanciert und modetechnisch gut zu kombinieren ist. Durch die geringere Höhe von 12, statt zuvor 15 mm und der verringerten Größe der Bandanstöße, liegt die 58 perfekt auch auf schmaleren Handgelenken auf. Sie wirkt natürlich trotzdem deutlich maskuliner und „lässiger“ als eine Datejust. Aber lange nicht so massiv wie Charlize Theron’s Sea-Dweller. Durch das Manufakturkaliber MT5402 mit 70 Stunden Gangreserve, lässt sie sich zu schickeren Anlässen auch bequem gegen eine elegantere Damenuhr austauschen, ohne dass die Uhr später neu eingestellt werden muss. Ein perfekter Kompromiss für alle Damen, die auf der Suche nach einer sportlichen Uhr sind!

NOMOS Metro: Die elegante Uhr für Leader

Nomos Metro 39
Nomos Metro 39

 

Eine Uhr, die ich persönlich schon oft beim Vorbeigehen an Damenhandgelenken entdecken konnte, ist die Nomos Metro Neomatik. Jedoch nicht etwa die Neomatik mit champagnerfarbenem Blatt und 35 mm Durchmesser, sondern die Neomatik 39 mit Edelstahlgehäuse. Diese Uhr scheint es einigen Damen besonders angetan zu haben. Kein Wunder, denn kaum eine Marke wird für sein eigenes, modernes Design unter Uhrenliebhabern so oft gelobt wie Nomos. Die Metro Neomatik macht sich besonders im Business-Umfeld, kombiniert mit einem Blazer, oder bei schickeren abendlichen Events hervorragend. Die Uhr mit Automatikkaliber misst in der Höhe nur 8 mm und wirkt auch deshalb sehr klassisch zurückhaltend. Der Saphirglasboden ermöglicht einen Blick auf das Manufakturkaliber DUW 3001, welches schön anzusehen ist. Natürlich besitzt auch dieses Werk das berühmte, hauseigene Nomos-Swing-System, welches für einen hervorragenden Gang der Uhr und 43 Stunden Gangreserve sorgt. Technisch ist man mit diesem Modell sehr gut aufgestellt. Die Metro wird mit einem schwarzen Lederarmband geliefert, das zu nahezu jedem schickeren Anlass perfekt passt, sich bei Bedarf jedoch einfach austauschen lässt.

Nicht von ungefähr bewirbt Nomos einige Modelle auch im Kontext von Mode und Arbeit. Dabei fallen Attribute wie weltgewandt, cool, groß – die Metro soll ein Statement sein. So heißt es auf der Website von Nomos zum Beispiel: „Weil man ab und an auch mal besser als der Chef angezogen sein kann.“ Ein mutiges Statement, welches bei Frauen gleichermaßen und möglicherweise mit Metro am Handgelenk noch stärker zur Geltung kommt!

Navitimer 1 Automatic 38: Ein Kompromiss mit Ecken und Kanten

Navitimer 1 Automatic 38
Navitimer 1 Automatic 38

Für viele ist die klassische Frauenuhr golden, mit Diamanten besetzt oder beides. Zudem ist ein großer Teil der Damenuhren mit einem Quarzwerk ausgestattet. So verhält es sich beispielsweise auch mit der beliebten Cartier Tank. Ein echtes Schmuckstück, kein Zweifel. Kaum jemand denkt wahrscheinlich an eine Breitling Navitimer 1 Automatic 38, die absolut nicht „flashy“ und feminin daherkommt. Stattdessen bietet die Navitimer einen Kontrast zu femininer Mode und zeigt Ecken und Kanten. Doch eine Herrenuhr wie die Navitimer wirkt nicht nur optisch robuster, sondern ist es im Vergleich zu vielen Damenuhren auch. 2018 entschied sich Breitling dafür, die Navitimer in einer für die Marke winzigen Größe von nur 38 mm statt ansonsten weit über 40 mm Durchmesser auf den Markt zu bringen. Natürlich zielt man damit automatisch auf weibliches Publikum ab. Doch neben der reduzierten Größe, bietet die „kleine Navitimer“ alles, was die größeren Modelle auch haben: Der charakteristische Rechenschieber, das Alligator-Lederband und jede Menge „Aviation-Vibe“. Während sich einige männliche Puristen auf die fehlende Chronographenfunktion eingeschossen haben und sich über den eleganteren Look sowie die geschrumpfte Größe echauffieren mögen, können Damen ganz beruhigt auf diese Uhr zurückgreifen. Das ETA 2824-2 basierte Kaliber 17 ist solide, wenngleich keine Offenbarung. Mit 40 Stunden Gangreserve und bis zu 30 Meter Wasserdichtigkeit ist die Uhr jedoch mehr als brauchbar für den Alltag.

Omega Speedmaster: Ein Allrounder mit Geschichte und Anziehungskraft

Omega Speedmaster
Omega Speedmaster

 

Let’s talk Speedmasters. Dass sich die Marketing-Ausrichtung einiger Brands in den letzten Jahren in Richtung einer breiteren Zielgruppenansprache entwickelt hat, haben wir bereits angesprochen. Eine der stärksten Geschichten, die die Uhrenindustrie zu bieten hat, ist bei Omega beheimatet: Die Speedmaster – die erste auf dem Mond getragene Armbanduhr. Neben der Geschichte gibt es jedoch noch einen weiteren Aspekt, den viele Käufer an Uhren schätzen – auch die Damenwelt: Die Stärke der Marke und die oftmals damit einhergehende Wertstabilität der Modelle. Ein Faktor, der bei typischen Damenuhren weniger wichtig sein kann, denn Männeruhren sind generell bei Sammlern durch die größere Community begehrter und meist wertstabiler. Die Omega Speedmaster ist hier ein gutes Beispiel. Mit der Omega Speedmaster Professional Moonwatch, Referenz 3570.50, bekommt man eine Uhr mit einer einzigartigen Historie, einem Design, das im Business-Alltag und in der Freizeit perfekt passt und zudem unter Uhrenenthusiasten sehr beliebt ist. Mit 42 mm ist die Moonwatch für jede Frau ein deutliches Statement am Handgelenk. Zudem ist sie mit ihrer Chronographenfunktion komplexer als viele typischen Damenuhren. Diese Referenz wurde ab 1996 bis 2014 von Omega hergestellt und ist mit ihrem Hesalitglas eine „traditionelle“ Speedmaster.

Audemars Piguet Automatic: Zeigt Stärke

Audemars Piguet Automatic
Audemars Piguet Automatic

Kommen wir nun zu einer Uhr, die von vielen prominenten Damen nur zu gerne getragen wird und für Uhrenfans auf Bildern und in der Realität so leicht zu entdecken ist wie nur wenige andere Modelle. AP stellt die Royal Oak mit ihrem ikonischen, oktogonalen Gehäuse und scharfen Kanten zwar auch extra für Damen her, doch mit der 39 „Jumbo“ Royal Oak zeigen Frauen, dass sie vor der Stärke der ultimativen Luxussportuhr nicht zurückschrecken. Auffällig ist neben dem integrierten Stahlarmband besonders die „Petite Tapisserie“-Struktur des Zifferblattes und die 8 Schrauben, die den Korpus zusammenhalten. Dadurch erhält die Uhr ihre raue Optik und Wirkung. Kein Wunder, denn der Designer der Uhr, Gérald Genta, wurde von einem Taucherhelm inspiriert. Durch die harte Optik trumpft die Royal Oak gerade zu Jeans und Sneaker besonders auf. Beliebt ist auch die Auswahl zwischen Edelstahl und Edelmetallen wie Gold und Roségold. Zusätzlich ist die Royal Oak in verschiedenen Zifferblattvarianten erhältlich. Neben blau und weiß sind die Gelbgold-Varianten auch mit Champagnerzifferblatt zu finden – falls es doch etwas mehr Glanz sein soll. Die Höhe ist der große Vorteil der Royal Oak. Wer die Uhr am Handgelenk trägt, der wird sie kaum spüren, denn vor allem die Werke der Dreizeigervariante sind besonders flach. Trotz seiner rauen Optik verhält sich das integrierte Armband wie leichter Stoff, der das Handgelenk umschmeichelt. Das berühmte Kaliber 2121, das auf einem Jaeger LeCoultre Kaliber 920 basiert, ist ebenso legendär wie die Uhr selbst. Den Damen, die planen die Uhr täglich zu tragen sei jedoch gesagt, dass die Uhr ein wahrer Kratzer-Magnet ist, was jedoch zum „edgy“ Look wohl dazugehört.

Fazit:

Natürlich werden einige Modelle wie die Cartier Tank oder eine Bicolor Lady Datejust aufgrund ihrer Historie und ihres Charmes immer Ikonen bleiben. Doch es spricht nichts dagegen, dass die Damen Männeruhren und deren Vorteile wie Robustheit, Begehrtheit und Geschichte für sich entdecken. Die zunehmende Nachfrage führt zu spannenden Entwicklungen in der Uhrenindustrie, die auch für Männer positive Auswirkungen haben. Außerdem finde ich persönlich es spannend, wenn ich eine Männeruhr an einer Frau entdecke, die ich auf den ersten Blick nicht erwartet hätte. Da ist der Gesprächs-Opener garantiert.

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Hey, ich bin Pascal. Nachdem ich viele Stunden auf Chrono24 verbracht habe, um schließlich meine erste „Luxusuhr“ zu kaufen, entdeckte ich im Impressum, dass der …

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