Nicht nur 2023 wird als ein Jahr der denkwürdigen Tudor Releases in Erinnerung bleiben: Auch 2021 war bereits geprägt von allerhand signifikanten Tudor Veröffentlichungen. Die Black Bay Chrono Referenzen M79360N-0001 und M79360N-0001, die beiden Black Bay Fifty-Eight Referenzen M79010SG-0001 und M79018V-0001aus Edelmetall sowie die Pelagos FXD Referenz M25707b/23-0001, um nur einige zu nennen. Und dann setzt die Manufaktur dem Ganzen die Krone auf und stellt im gleichen Jahr, Ende Mai 2021, die erste Uhr mit METAS-Zertifikat vor. Diese Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 setzt im Hause Tudor nun seit fast zwei Jahren neue Maßstäbe. Der Keramik-Zeitanzeiger im Tarnkappen-Look ist ein äußerst anspruchsvolles Modell, dem wir in diesem Review einmal auf den Zahn fühlen wollen.
Die Tudor Black Bay Ceramic – ein erster Faktencheck
Die Uhr präsentiert sich im nahezu klassischen Maß der Black Bay Produktlinie mit 41 mm Gehäusedurchmesser, 50 mm Horn-zu-Horn Abstand, 22 mm Bandanstoß und 14,4 mm Bauhöhe. Das Fliegengewicht bring samt Tudor Hybrid-Uhrband federleichte 106,6 g auf die Waage. Das Innenleben dieser Referenz, das MT5602-1U, steht für das bislang bedeutendste Kaliber der Marke und symbolisiert zugleich eine kleine Sensation in der Uhrenbranche. Die Black Bay Ceramic ist nämlich der erste offizielle Master Chronometer von Tudor. Bislang ließ ausschließlich Omega seine Uhrwerke nach den berüchtigten Kriterien kontrollieren. Die zur Swatch Gruppe gehörende Uhrenmarke und das Eidgenössische Institut für Metrologie (METAS) haben einen gemeinsamen Qualitätsstandard für die Zertifizierung antimagnetischer Uhrwerke entwickelt. Dabei werden nicht nur Gangreserve und Wasserdichte getestet, sondern die Uhren müssen auch Magnetfeldern von 15.000 Gauß standhalten. Eine durchaus anspruchsvolle Prüfung. Die Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 Uhr bringt all das mit. Sie ist 200 m wasserdicht, hat 70 Stunden Gangreserve und ist bis 15.000 Gauß antimagnetisch. Das ist beeindruckend!
Der Extremsportler aus Keramik im Visier
Tudor hatte bereits seit einiger Zeit mit dem Material Keramik experimentiert. Auf die Tudor Fastrider Black Shield Chronographen folgte im Jahr 2019 die Black Bay Ceramic One zur Only Watch Auktion in Genf. Als Einzelstück erzielte der Black Bay Keramik Prototyp stolze 350k CHF für den guten Zweck.
Durch dieses Modell inspiriert, reihte sich zwei Jahre später die Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-0001 in die Produktpalette der Manufaktur ein. Das Gehäuse der Uhr ist dabei ein wahres Meisterwerk. Die im Monoblock verarbeitete Keramik präsentiert sich in ihrer schönsten Mattierung. Und zwar, wie die gesamte Uhr, in einem Tiefschwarz. Der Glanzgrad der Oberfläche ist dabei auf ein Minimum gesunken, sodass eine diffuse Lichtstreuung in alltäglich wechselnden Lichtverhältnissen garantiert ist. Die polierten Kanten verleihen dem Gehäuse eine filigrane Sportlichkeit, die Uhr trägt dadurch am Handgelenk schlanker auf als die Black Bay Geschwister aus Edelstahl. Der Keramik-Sprössling ähnelt aus etlichen Blickwinkeln der Familie Black Bay Fifty-Eight.
Die verschraubte Krone ist aus PVD-beschichtetem 316L Edelstahl und hat ein Tudor Rosen-Logo-Relief. Auch die schmal aufliegende Lünette ist aus dem gleichen Material gefertigt und umfasst eine ganzheitlich schwarz gefasste Keramikeinlage mit eingefräster Skalierung. Der vertikal verlaufende Schliff der Lünette ist dabei wirklich atemberaubend. Er ist das markanteste Detail der Uhr. Die Lünette rastet in 60 Schritten wie gewohnt sauber und satt. Bei Betätigung des Drehkranzes lassen Haptik und Akustik an ein hochwertiges Tresorschloss erinnern. Qualität ist man bei Tudor gewohnt!
Dial mit subtilem Vintage-Flair
Das schwarze Zifferblatt ist mit einem dezenten Sonnenschliff versehen, wirkt bei genauer Betrachtung samtig weich und bekommt dadurch eine optische Tiefe. Die reduzierte Aufschrift im unteren Bereich des Zifferblatts ist auf einen Zweizeiler beschränkt: „Black Bay“ und „Master Chronometer“. Beschriftung und Minuterie sind dabei in einem dunklen Grauton gehalten. Das Kolorit wirkt äußerst harmonisch und untermauert die insgesamt aufgeräumte Erscheinung des Zeitanzeigers.
Die Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 ist mit dem klassischen Zeigersatz ausgestattet, Stunden- und Sekundenzeiger rotieren im bekannten Snowflake-Design. Die Superluminova Leuchtmasse der Zeiger und Indizes ist in einem interessanten Off-White appliziert. Ein Creme-Farbton irgendwo zwischen Wollweiß und Hellbeige. Als clevere Alternative zu Reinweiß mildert der gewählte Ton den Kontrast zum Schwarz etwas ab und gibt der Uhr ein authentisches Vintage-Flair – ohne dieses jedoch zu stark in den Vordergrund zu stellen. Vorderseitig rundet Saphirglas in gewölbter Form den Retro-Charakter der Uhr ab. Rückseitig ist der Gehäuseboden mittig aus transparentem Saphirglas und einem peripheren PVD-beschichteten Edelstahlring gefertigt. Der durchsichtige Gehäuseboden gibt Einblick in das Innere der Uhr: das geschwärzte MT5602-1U der Black Bay Ceramic. Während schwarze Uhren digital grundsätzlich schwierig zu greifen sind, ist die Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-0001 nicht zuletzt aufgrund ihrer mangelnden Entspiegelung kein Instagram-Star. im Alltag überzeugt sie umso mehr, wenn man die Referenz zum ersten Mal in den eigenen Händen hält. Reduziert auf das Wichtigste, die Uhrzeit, überzeugt der Zeitmesser mit einer mustergültigen Ablesbarkeit.
Kleiner Exkurs: die Tudor Black Bay Ceramic Uhrbänder im Vergleich
1. Tudor Hybrid-Armband
Angestoßen wird das Gehäuse mit einem mitgelieferten Hybrid-Uhrband aus einem Leder-Kautschuk-Materialmix. Das Band kommt in einem Grauschwarz. Analog zur Leuchtmasse ist es mit einer farblich passenden Steppnaht versehen. Die typische Tudor-Schild-Faltschließe ist aus geschwärztem Edelstahl mit eingefassten Keramikkugeln gefertigt. Beim gekonnten Einrasten des Sicherheitsbügels ist der gelöcherte Teil des Armbands dem Körper zugewandt. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Die beiden Bandschlaufen geben zudem etwas zu viel Spielraum.
Nach wie vor ein schwieriges Thema ist die Bauhöhe der Uhr. Für mein durchschnittliches Handgelenk von 17 cm sind die 14,4 mm Gehäusekante der Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-0001 nicht nur eine ganze Menge, sondern schlicht und ergreifend zu viel. Der allgemein vergleichsweise tiefliegende Federsteg begünstigt dieses Missverhältnis. Wenn auch optisch stilsicher ist die hybride Bandalternative aus dem offiziellen Lieferumfang daher suboptimal. Das Uhrband stößt über eine offene Integration ans Gehäuse. Somit klaffen die Gehäusekanten regelrecht empor und tendieren aufgrund ihrer Materialbeschaffenheit dazu, Flecken und Staubkörner anzuziehen. Das fällt sofort ins Auge! Da das Hybrid-Uhrband geradlinig anstößt, liegt zudem ein nicht unbeträchtlicher Zwischenraum mit Blick auf das Handgelenk frei. Das überzeugt nicht!
2. Tudor Textilarmband
Die im Lieferumfang enthaltende zweite Uhrband-Alternative komplettiert die Taucheruhr farblich ebenfalls äußerst harmonisch. Es ist das bekannte Textilband in Schwarz mit cremefarbenem Kontraststreifen, schwarzer Stiftschließe und eingenähten Federstegschlaufen. Für sich allein eine Wucht von einem Band! Das sogenannte Fabric Strap wird unterhalb des Keramikgehäuses eingeführt. Es verdeckt zwar den Zwischenraum am Bandanstoß, lässt somit jedoch keinen Blick auf den offenen Gehäuseboden und das Kaliber zu. Insgesamt wird die Uhr durch das bodenseitig verlaufende Band auch nochmals angehoben, und die Bauhöhe zu den Bandanstößen liegen nun vollends frei. Die Gehäusekante fällt im Übergang zum Uhrband derart schroff ab, dass sie den ästhetischen Gesamteindruck der Uhr aus der seitlichen Perspektive sicherlich schmälert. Ebenfalls suboptimal!
3. Aftermarket-Uhrband Wahlmöglichkeiten
Glücklicherweise ist die Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 eine Strapqueen. Sie harmonisiert mit sämtlichen Alternativen renommierter Drittanbieter. Wesentlich ausgewogener an kräftigen Uhrengehäusen wirken bekanntlich abgerundete Bandanstöße. Die sogenannten block-integrativen Produktlösungen sind in oberen Preissegmenten nicht selten auf jeweilige Uhrenmodelle maßgeschneidert und versprechen so maximalen Tragekomfort. Sie verzeihen stattliche Gehäusebauhöhen und bringen Gehäuse und Band derart ansehnlich in Einklang, dass selbst vermeintlich große Uhren auf schmalen bis mittleren Handgelenken bequem Platz finden. Mit einem solchen Uhrband von Everest Horology Products nehme ich es seit Jahren mit den dominanten 15 mm Bauhöhe meiner Rolex Sea-Dweller Referenz 126600 (SD43) spielend auf.
Ein weiterer Anbieter hochqualitativer Uhrbänder, Rubber B, bietet seit kurzem nun verschiedene Materiallösungen für die Tudor Black Bay Ceramic an. Unter anderem auch passgenaue Kautschukbänder. Dabei lässt sich sogar wahlweise die originale Schließe des Tudor Hybrid-Uhrbands auf das alternative Uhrband montieren. Am Rubber B Kautschukband fühlt sich die Uhr bezüglich ihrer Ausmaße sofort gemäßigter an. Betrachtet man die Uhr am eigenen Handgelenk ist der Unterschied zu den schmaleren Black Bay Fifty-Eight Proportionen kaum noch zu erkennen. Ein regelrechter Verwandlungsprozess!
Allgemeine Kritik der Tudor Black Bay Ceramic
In den zahlreichen Berichterstattungen zu dieser Referenz lassen sich insgesamt nur sehr wenige Kritikpunkte ausmachen. Beanstandungen, welche sich vielleicht partiell entkräften lassen:
1. Team Kratzresistenz vs. Team Patina
Das Material Keramik ist aufgrund seiner geringeren Dichte unverkennbar leichter und zugleich drei- bis viermal härter als Edelstahl. Das leichte Gewicht am Arm geht bei manchen Uhrenfans zu Lasten der gefühlten Wertigkeit. Andere empfinden das Material wiederum dem alltäglichen Tragekomfort als zuträglich. Die bei Uhrensammlern beliebte würdevolle Alterung bleibt bei Keramik vollständig aus. Dafür ist die Uhr absolut unempfindlich und somit für den Alltag bestens gewappnet.
2. Ablesbarkeit geschwärzter Lünetten
Einer der allgemeinen Kritikpunkte der Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 zielt auf die mangelnde Funktionalität der Uhr ab. Der Kontrast auf der Taucherlünette sei zu gering. Die ausbleibende Lünetten-Leuchtmasse als auch die fehlende Perle auf zwölf Uhr gestalte die Ablesbarkeit der Skalierung zudem schwierig. Zumindest unter Wasser.
Doch, mal ehrlich: Wie viel Prozent der Zielgruppe nutzt diese Uhr tatsächlich bei Tauchgängen? Und wie viele Personen dieser Minderheit gehen obendrein noch ohne (zusätzlichen) digitalen Tauchcomputer ins Wasser? In Bezug auf den ewig währenden Diskussionspanel Taucherlünette sollte man davon ausgehen können, dass grundsätzlich jeder Taucher im Stande wäre, Minuten zu addieren. Das gilt im Übrigen auch für das beliebte Argument von Nudel-Kochzeit im Alltag. Wenn auch stilistisch gelungen, bleibt die Ablesbarkeit der Lünette im Alltag herausfordernd.
3. Daseinsberechtigung transparenter Gehäuseböden
Die sogenannten Display Casebacks gibt es erst seit Anfang der 1980er Jahre und werden seit ihrer Geburtsstunde kontrovers diskutiert. Im subjektiven Auge des Betrachters ist die erste Ansicht eines Kalibers sicherlich so faszinierend wie sie im Laufe der Zeit sättigend ist. Mit komplizierteren Uhrwerken und hochwertigeren Verarbeitungsgraden steigern wir unseren individuellen Anspruch beständig weiter. Nichts erscheint in der Uhrenwelt so subjektiv und vergänglich wie genau dieses Thema. Auch im Fall der Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 wird die notwendige Durchsichtigkeit von Taucheruhr-Gehäuseböden im Allgemeinen und die hapernde Ansehnlichkeit des MT5602-1U Kalibers im Speziellen in Frage gestellt. Skelettierte Uhrwerke wirken sicherlich attraktiver. Das stimmt. Dann würde die Uhr jedoch auch in einer anderen Preiskategorie liegen. Mit offenem Gehäuseboden wird einem die Möglichkeit genommen, die Uhr nachträglich zu gravieren. Das stimmt ebenfalls. Die Personalisierung von Uhren ist allerdings auch nicht jedermanns Sache.
Festzuhalten bleibt, dass das Kaliber der Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 in der fast 100-jährigen Tudor Firmengeschichte einen Meilenstein symbolisiert und in der Branche für Furore gesorgt hat. Seiner Preiskategorie entsprechend wird das Kaliber durchaus ansehnlich in Szene gesetzt.
4. Übertriebene antimagnetische Resistenz
Kritische Stimmen schmunzeln betreffend der übertriebenen antimagnetischen Anforderungen des Eidgenössischen Instituts für Metrologie. Die verlangten 15.000 Gauß seien exzentrisch, da sie jederzeit Handys (ca. 380 Gauß), Haartrocknern (ca. 400 Gauß), Notebooks (ca. 1.200 Gauß), Tablets (ca. 1.400 Gauß) und selbst die neuzeitliche Generation von medizinischen Kernspintomographen (13.000 Gauß) spielend übertreffen. Das ist gewiss richtig. Während natürliche Uhren-Feinde in Form von Erschütterung, Wasser, Staub und Temperaturextrema mittlerweile gut zu bewältigen sind, bleibt Magnetismus jedoch eine herausfordernde Thematik im Bereich Forschung und Entwicklung. In einer zunehmend digitalen Umwelt sind Uhrenfreunde steigenden magnetischen Belastungen ausgesetzt. Mit der vermeintlich hohen antimagnetischen Resistenz sind METAS-zertifizierte Uhren bestens für den Moment und höchstwahrscheinlich hinreichend für die nächsten Jahrzehnte gewappnet.
5. Polarisierender Snowflake Zeigersatz
Am Ende bleibt die Gruppe der Snowflake-Gegner, welche mir zugegebenermaßen nicht ganz fremd ist. Gemeinverständlich polarisiert die Formgebung des Stunden- und Sekundenzeigers wie kein anderes. Allerdings konnte man bereits bei der Modelllinie der Tudor Pelagos zwischen kantiger Zeigerformgebung und modelltypisch eckigen Indizes ein wohlproportionierteres Zusammenspiel beobachten.
Auch bei der Tudor Black Bay Ceramic Referenz M79210CNU-001 scheint sich der Zeigersatz in der farb- und informationsberuhigten Umgebung des dunkeln Zifferblatts irgendwie harmonischer einzufügen. Zumindest wirken die Schneeflocken aus meinem subjektiven Betrachtungswinkel nicht mehr (ganz so) fehl am Platz.
Vielleicht habe ich mich aber auch einfach nur ein Stück mehr daran gewöhnt, da mir als bekennender Rolex Fanboy diese Tudor einfach nicht mehr aus dem Kopf zu gehen scheint!