10/13/2021
 5 Minuten

Chrono24 Buyer’s Guide: Die legendäre Audemars Piguet Royal Oak

Von Jorg Weppelink
Audemars-Piguet-Royal-Oak-Buyers-Guide-2-1-EN

Damals schien die Idee reichlich bizarr: Eine neue mechanische Luxussportuhr aus Stahl sollte die Marke Audemars Piguet vor dem Untergang bewahren – und das mitten in der Quarzkrise. Aber genau diesen Plan verfolgte Audemars Piguet mit der Einführung der Royal Oak auf der Baselworld 1972. Heute, fast fünf Jahrzehnte später, ist die Royal Oak eine der größten Ikonen der Uhrenwelt. In diesem Artikel verraten wir Ihnen, was diese Uhr zu etwas derart Besonderem macht und wie sich ihr Wert in den letzten Jahren entwickelt hat. 

Die Royal Oak-Story

Die Erfolgsgeschichte der Audemars Piguet Royal Oak begann im Jahr 1971, genau ein Jahr vor ihrer Premiere auf der Baselworld 1972. Im Zuge der sogenannten „Quarzkrise“ sah sich Audemars Piguet mit einer enormen Herausforderung konfrontiert: Etwas Revolutionäres erfinden oder den Niedergang der eigenen Marke in Kauf nehmen. Der Geschäftsführer von Audemars Piguet, Georges Golay, bat den Uhrendesigner Gérald Genta um einen Entwurf für eine Sportuhr aus Edelstahl für den italienischen Markt. Ach, und noch etwas: Er brauchte diesen Entwurf am nächsten Tag. Genta lieferte – und entwickelte ganz nebenbei ein epochales, neues Design. 

Der Entwurf des berühmten Designers lehnte sich an die Gestaltung klassischer Taucherhelme an. Er bestand aus einem schlanken Gehäuse mit einer Höhe von nur 7 Millimetern, einer achteckigen, mit acht Schrauben befestigten Lünette sowie einem Zifferblatt mit „Tapisserie“-Motiv. Abgesehen davon war die 39 mm große Uhr mit einem integrierten Armband versehen, das mindestens ebenso beeindruckend war wie das Gehäuse selbst. In dessen Innerem tickte das Automatikkaliber 2121, ein Gemeinschaftsprojekt von Audemars Piguet, Jaeger-LeCoultre und Patek Philippe. Im Jahr 1972 präsentierte Audemars Piguet seine Royal Oak auf der Baselworld. Mit ihrem Listenpreis von 3.300 Schweizer Franken lag sie sogar über der ebenfalls vorgestellten goldenen Dresswatch von Patek Philippe. Für diese Summe hätte man bei Rolex zu dem Zeitpunkt zehn Submariner-Modelle erwerben können. 

Der Royal Oak war kein schneller Erfolg beschieden.
Der Royal Oak war kein schneller Erfolg beschieden.

Vom Ladenhüter zur Ikone

Als die Royal Oak auf den Markt kam, reagierte die Uhrenwelt erst einmal verhalten. Journalisten und Fans kritisierten das in ihren Augen zu futuristische Äußere. Und dazu noch dieser Preis! Die erste Auflage der ersten Royal Oak „Jumbo“ Ref. 5402 umfasste 1.000 Exemplare. Es sollte über ein Jahr dauern, bis diese inzwischen legendäre 5402 A-Serie endlich ausverkauft war. Danach fertigte Audemars Piguet die B- und C-Serien der Referenz und langsam wurde der Uhrenwelt bewusst, wie genial Gérald Gentas Kreation war. In den folgenden Jahren brachte Audemars Piguet die Royal Oak in verschiedenen Größen aus Gold und aus Stahl auf den Markt. Genta sollte später auch für die ebenso berühmte Patek Philippe Nautilus und die IWC Ingenieur verantwortlich zeichnen. Beide erschienen 1976. Zusammen mit der Royal Oak bilden sie Gentas „Trilogie“ der modernen Luxussportuhren. 

In den 1970-er und 1980-er Jahren entwickelte sich die Royal Oak zu einer Luxusuhr voller Finesse, in der sich die unvergleichliche Uhrmacherkunst von Audemars Piguet und das progressive Design von Gerald Genta widerspiegelten. Sie stellte einen Sieg der mechanischen Uhrentechnologie inmitten der Quarz-Ära dar. Im Rahmen der Royal Oak-Serie entwickelte Audemars Piguet hochkomplexe Uhren, die das schlanke Design der Royal Oak beibehielten. Hier nur zwei Beispiele für diese uhrmacherische Kreativität: Die 9,3 mm schlanke Royal Oak Ewiger Kalender aus dem Jahr 1984 mit ihrem Automatikkaliber 2120/2800 und die Royal Oak Day-Date Moonphase von 1987 mit einer Gehäusehöhe von 9 mm und dem Automatikkaliber 2224/2825. 

Die Royal Oak-Familie wächst

Zwanzig Jahre nach Einführung der Royal Oak beauftragte Audemars Piguet den 22-jährigen Uhrendesigner Emmanuel Gueit, eine modernere, maskulinere Version seines berühmtesten Zeitmessers zu entwerfen. So entstand die Royal Oak Offshore, die ihre Premiere auf der Baselworld 1993 feierte. Die erste Reaktion der Fachwelt? Die neue Royal Oak war zu groß und zu wuchtig. Genta selbst soll sogar gesagt haben, „seine“ Royal Oak sei ruiniert worden. Ihr – für das damalige Empfinden beträchtlicher – Durchmesser von 42 mm und ihr recht markantes Aussehen bescherten dieser Uhr den Namen „The Beast“. Die Royal Oak Offshore wurde ursprünglich anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Originalmodells entworfen. Sie wurde aber schnell zu einem eigenen Erfolgsmodell und ist nach wie vor eine sehr gefragte Serie aus dem aktuellen AP-Katalog. 

The Royal Oak Offshore
Die Royal Oak Offshore

Zehn Jahre später, im Jahr 2002, stellte Audemars Piguet zum 30-jährigen Jubiläum der Royal Oak die Royal Oak Concept CW1 vor. Sie besitzt ein neu gestaltetes 44-mm-Gehäuse aus Alacrite 602, einem revolutionäre leichten und langlebigen Werkstoff, der ursprünglich für die Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt wurde. Diese skelettierte Uhr verfügt über einen Sichtboden, sodass man von beiden Seiten einen ungehinderten Blick auf ihr wunderschön gestaltetes Innenleben genießen kann, in dem u. a. ein Tourbillon umhersaust. Die Royal Oak Concept wurde später zu einer eigenen Linie innerhalb der Royal Oak-Familie. Audemars Piguet nutzt diese Serie als Experimentierfeld, um neue Materialien und Designs auszuprobieren. Das Ergebnis sind sehr außergewöhnliche Kaliber und Uhren. 

Die Referenzen der Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“

Die allererste Royal Oak Ref. 5402 wurde von 1972 bis 1990 hergestellt. Im Jahr 1990 lancierte Audemars Piguet die neue Royal Oak Ref. 15002 mit einem leicht überarbeiteten Design. 1998 wurde die Produktion der Ref. 15002 dann eingestellt. 

Im Jahr 1992 zelebrierte Audemars Piguet mit der Vorstellung der Royal Oak „Jubilee“ Ref. 14802 das 20-jährige Jubiläum der ursprünglichen Referenz. Der größte Unterschied zur klassischen Royal Oak „Jumbo“ war der Gehäuseboden. Von dieser Referenz wurden lediglich 1.000 Exemplare hergestellt: 700 sind in Edelstahl und 300 in Gelbgold ausgeführt. Neben der ursprünglichen Ref. 5402 ist die Ref. 14802 eine der bei Sammlern begehrtesten AP-Referenzen. 

The Royal Oak "Jubilee"
Die Royal Oak „Jubilee“

Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ Extra-Flach Ref. 15202

Nachdem AP die Royal Oak „Jumbo“ gegen Ende der 1990-er eingestellt hatte, sollte es bis dauern 2012, bis wieder ein Royal Oak-Modell auf den Markt kam. Während dieser Pause legte die Royal Oak-Serie in der Welt der Luxusuhren dramatisch an Bedeutung zu. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Royal Oak brachte Audemars Piguet 2012 dann die Royal Oak „Jumbo“ Extra-Flach Ref. 15202 heraus. Mit einem Durchmesser von 39 mm und dem Kaliber 2121, welches bereits die Modelle von 1972 antrieb, war sie die perfekte moderne Version der ursprünglichen Royal Oak. Heute zählt sie zu den begehrtesten Luxusuhren der Welt. Bei Audemars Piguet wird sie aus vielen verschiedenen Materialien hergestellt, u. a. aus Stahl, Gold und Platin. 

Die Wertentwicklung der Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ Extra-Flach Ref. 15202

Aufgrund ihrer großen Beliebtheit sind die Preise für die Edelstahl-Version der Royal Oak Ref. 15202 in den letzten drei Jahren förmlich in die Höhe geschossen. Noch 2018 hätte man diese Uhr für unter 22.000 EUR kaufen können. Im Laufe des vergangenen Jahres legte ihre Wertentwicklung ein besonders atemberaubendes Tempo vor. Auf Chrono24 stiegen die Preise für eine Royal Oak „Jumbo“ aus Stahl um mehr als das Doppelte – von 32.000 EUR auf über 68.000 EUR – eine der spektakulärsten Preissteigerungen aller Zeiten. 

Sehr zum Missfallen der Royal Oak-Fangemeinde kündigte Audemars Piguet-CEO François-Henry Bennahmias Anfang des Jahres die Einstellung der Edelstahl-Referenz 15202ST nach 2021 an. Audemars Piguet wird diese Referenz dann nicht mehr herstellen und sie durch eine neue Royal Oak „Jumbo“ aus Edelmetall ersetzen. So soll das 50-jährige Jubiläum standesgemäß zelebriert werden. Diese Ankündigung heizte selbstverständlich die Gerüchteküche massiv an und trieb die Preise entsprechend in die Höhe. Daran sieht man, wie sehr Uhrenfans dieses Uhr lieben. Ihre Story ist einfach unschlagbar: Anfang der 1970er Jahre noch gewagtes Statement zur Rettung eines Unternehmens, heute eine der größten Ikonen der Branche. Man darf gespannt sein, was sich die Marke zum 50-jährigen Jubiläum der Royal Oak einfallen lässt. Sicher ist, dass die Audemars Piguet Royal Oak als moderne Ikone der Uhrmacherkunst weiter auf der Erfolgsschiene bleiben und ihre Fans in aller Welt begeistern wird. 

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Über den Autor

Jorg Weppelink

Hallo, ich bin Jorg und schreibe seit 2016 Artikel für Chrono24. Meine Beziehung zu Chrono24 reicht jedoch deutlich weiter zurück, denn meine Liebe zu Uhren erwachte …

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