01/14/2020
 6 Minuten

Eine Ikone und ihre Geschichte: die Breitling Ref. 806

Von Tom Mulraney
Development of a Classic: The Breitling Ref. 806

Development of a Classic: The Breitling Ref. 806

Das Sammeln von Uhren ist eines der schönsten Hobbys – zuweilen aber auch ein sehr zeitaufwendiges und teures. Vor allem dann, wenn Sie sich für historisch bedeutsame Modelle interessieren. Betrachtet man die hohen Summen, die für sehr begehrte Uhren derzeit gezahlt werden, so liegt die Schlussfolgerung nahe: Als Uhrensammler müssen Sie viel Geld mitbringen, um im Rennen zu bleiben. Darin steckt sicherlich ein Fünkchen Wahrheit, befasst man sich jedoch intensiv mit dem Markt, so finden sich eine Menge attraktiver Vintage-Uhren, die noch zu relativ moderaten Preisen zu bekommen sind.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Breitling Navitimer Ref. 806. Ihr Wert hat sich auf Chrono24 in den vergangenen Jahren gut entwickelt, aber noch immer bekommen Sie dieses legendäre Modell zu Preisen, die Sie nicht in den Ruin treiben werden. Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr über die interessante Geschichte der kultigen Fliegeruhr.

Performance Navitimer 806
Wertentwicklung der Navitimer 806

Der Vorgänger der 806-Navitimer

Die Breitling Navitimer ist die wohl bekannteste Fliegeruhr der neueren Geschichte. Zu verdanken hat sie dies vor allem ihrem einzigartigen Design. Entwickelt wurde die Uhr für Piloten und daher ist ihr Name eine Kombination der Begriffe „Navigation“ und „Timer“. Ihr markantestes Feature ist die drehbare Rechenschieberlünette zur Messung von Durchschnittsgeschwindigkeiten, Spritverbrauch und Sinkflugrate. Die Entwicklung begann im Jahr 1952, die ersten Uhren wurden 1954 vorgestellt. Bemerkenswert ist, dass der Rechenschieber ursprünglich nicht für die Navitimer konzipiert wurde. Bereits in den 1940er-Jahren wurde er in der Breitling Chronomat verbaut.

Die ersten Navitimer-Modelle wurden exklusiv für Mitglieder der Aircraft Owners and Pilots Association (AOPA) hergestellt. Auf den Gehäuserückseiten dieser extrem seltenen und sehr begehrten Sammlerstücke sind keine Referenznummern zu finden. Der Produktionszeitraum dieser Modelle dauerte nur ein Jahr – von Ende 1954 bis 1955. Diese frühen Modelle, unter Sammlern als „Pre-806“ bekannt, stattete Breitling mit dem manuellen Valjoux 72 Chronographenkaliber aus.

Die Zifferblätter der Uhren sind komplett in Schwarz gehalten. Die Hilfszifferblätter in Kontrastfarben für eine bessere Lesbarkeit wurden erst bei späteren Modellen eingeführt. Unterhalb der 12 ist das Flügel-Logo mit AOPA-Beschriftung zu sehen. Das Breitling-Logo ist hier nirgends zu finden, das änderte sich erst in späten 1950er-Jahren. Ein weiteres charakteristisches Detail des ersten Modells ist die sogenannte Perlenlünette, die das Bedienen mit Handschuhen vereinfachte. Die AOPA-Modelle haben übrigens mehr Perlen als die Nachfolger – es sind genau 125. Breitling verringerte die Anzahl der Perlen in den Folgejahren und vergrößerte gleichzeitig jede einzelne Perle. Hierdurch wurde die Griffigkeit der Lünette weiter optimiert.

Vorläufer der Vintage Navitimer 806
Vintage Navitimer Pre-806

Eine Navitimer für alle

Nach dem großen Erfolg des ersten Modells in der Luftfahrt, stellte Breitling im Jahr 1956 die Uhr vor, die heute als Ref. 806 bekannt ist. Als reguläres Modell war sie auf dem öffentlichen Markt erhältlich und damit für jedermann zugänglich. Das Valjoux 72 wurde durch das Handaufzugskaliber Venus 178 ersetzt, das ebenfalls mit einer Chronographenfunktion ausgestattet war. Entwickelt wurde es vom Schweizer Hersteller Fabrique d’Ebauches Vénus S.A. Breitling verbaute es in der Navitimer bis in die frühen 1970er-Jahre.

Auch die frühen 806-Modelle hatten ein komplett schwarzes Zifferblatt, viele andere Details wurden jedoch verändert. Die Modelle für den amerikanischen Markt hatten die Flügel mit AOPA-Beschriftung, andere nur die Flügel ohne AOPA-Beschriftung und dazu das Breitling-Logo. Wieder andere hatten die Kombination aus Breitling-Genéve-Schriftzug und Flügeln. Die meisten der Modelle wurden aus Edelstahl gefertigt, es gibt aber auch goldbeschichtete Versionen und einige aus massivem Gold. Letztere wurden nur in sehr geringen Stückzahlen produziert und sind extrem selten.

Fast ein Jahrzehnt nach dem original AOPA-Modell ergänzte Breitling die Navitimer um kontrastierende Hilfszifferblätter. Ursprünglich vor allem für eine bessere Ablesbarkeit entwickelt, ist das Reverse-Panda-Zifferblatt heutzutage eines der Markenzeichen der Navitimer. Die ersten dieser Modelle, die im Jahr 1963 vorgestellt wurden, hatten noch das frühe 806er-Gehäuse mit Perlenlünette, die Anzahl der Perlen war aber bereits auf 93 Stück reduziert. Die spritzenförmigen Zeiger wurden durch Baton-Zeiger mit Pfeilspitze ersetzt. Diese Variante wurde lediglich ein Jahr lang hergestellt – im Jahr 1964 sollte Breitling dann einige wesentliche Änderungen an der Navitimer vornehmen.

Breitling Navitimer 806 AOPA
Breitling Navitimer 806 AOPA

Zu den Änderungen gehörte die Einführung einer gefrästen Lünette als Ersatz für die Perlenlünette und die Verwendung des Doppel-Jet-Logos mit dem unterhalb platzierten „Breitling Genéve“-Schriftzug. Die Hilfszifferblätter wurden zur besseren Ablesbarkeit vergrößert. In den frühen 1970er-Jahren wurde die Funktionalität weiter optimiert und Breitling ergänzte die Navitimer um ein Datumsfenster bei 4:30 Uhr. Offiziell vorgestellt wurde das Modell unter der Referenznummer 7806 im Jahr 1972.

Datumsfenster und deren Platzierung sind immer umstritten. In diesem Fall ist die Position ohne Zweifel eher ungewöhnlich, einige mögen sagen fehlplatziert. Breitling blieb jedoch dabei und brachte zudem erstmalig Farben auf das vorher einfarbige Zifferblatt, und zwar am Datumsfenster und auf dem Rechenschieber. Es waren schließlich die bunten 1970er-Jahre. Dieses Modell wurde mit dem Handaufzugskaliber Valjoux 7740 betrieben und hatte noch immer das bewährte Layout mit drei Hilfszifferblättern. Die Positionen von Stundenzähler und kleiner Sekunde bei 9 und 6 Uhr wurden jedoch getauscht.

Die Navitimer Automatic

Einige Jahre zuvor hatte es bereits eine weitere wichtige Entwicklung im Navitimer-Universum gegeben. Breitling hatte im Geheimen mit Heuer, Büren und Dubois Dépraz an der Entwicklung des ersten Automatikkalibers mit Chronographenfunktion gearbeitet. Zeitgleich taten dies unabhängig voneinander auch Zenith und Seiko – alle drei Kaliber wurden im Jahr 1969 vorgestellt. Heuer nannte es Calibre 11 und verbaute es in einer komplett neu designten Uhr – der legendären quadratischen Monaco, die durch Steve McQueen weltberühmt wurde. Breitling setzte ihr „Chrono-Matic“-Kaliber in eine neue Version der Navitimer ein.

Vintage Navitimer 1969 Pizza case
Vintage Navitimer 1969 pizza case

Die Referenz 1806 wurde im Jahr 1969 vorgestellt und hatte ein übergroßes 48-mm-Gehäuse, das unter dem Spitznamen „Pizza“ bekannt wurde. Im Gegensatz zur manuellen Variante ist die 1806 ein Bicompax-Chronograph, das Datumsfenster befindet sich hier direkt oberhalb von 6 Uhr. Zu dieser Zeit war die Navitimer schon weit über die Grenzen der Luftfahrt hinweg beliebt und entwickelte sich allmählich zu dem Statussymbol, das sie heute ist. Berühmte Träger waren Miles Davis und die Formel-1-Fahrer James Clark und Graham Hill.

Eine besondere Erwähnung: die Cosmonaute

Technisch gesehen ist die Cosmonaute keine Ref. 806. Sie kommt ihr aber sehr nah und hat ebenfalls eine interessante Geschichte. Glaubt man den Sagen aus der Uhrmacherei, wurde sie vom amerikanischen Astronauten Scott Carpenter – einer der sieben Mitglieder des US-Raumfahrtprogramms Mercury und der zweite Amerikaner, der die Erde umflog – bei seinen Vorbereitungen für die Mission getragen. Erzählungen zufolge hat er Breitling um eine Erweiterung der Funktionalität der Navitimer gebeten: ein 24-Stunden-Zifferblatt, um ihm im Weltraum die Möglichkeit zu geben, zwischen Tages- und Nachtzeit zu unterscheiden.

Breitling erkannte das Potenzial dieser Weiterentwicklung und stellte die Ref. 809 Cosmonaute im Jahr 1972 vor. Die erste Version hatte – so wie auch die frühen 806-Modelle – ein komplett schwarzes Zifferblatt. Die Perlenlünette war jedoch größer, sodass sie auch mit schweren Astronauten-Handschuhen bedient werden konnte. Scott Carpenter trug auf der Aurora-7-Mission seine persönliche Ref. 809 Cosmonaute – es war damit der erste Schweizer Chronograph im Weltraum. Weniger als ein Jahr lang wurde diese Version mit der größeren Lünette hergestellt. Gut erhaltene Exemplare der Uhr sind somit extrem selten. Breitling stellte im Weiteren überarbeitete Cosmonaute-Modelle im Stile der Ref. 806 her.

Breitling Navitimer 809 Cosmonaute
Breitling Navitimer 809 Cosmonaute

Die moderne Neuauflage

Auf der Baselworld 2019 stellte Breitling eine originalgetreue Neuauflage der Ref. 806 aus dem Jahre 1959 vor. Laut CEO Georges Kern war das Ziel, eine Uhr herzustellen, die dem Original so ähnlich wie möglich sein sollte. Hierfür arbeite Breitling mit dem Uhrensammler Fred Mandelbaum (@watchfred) zusammen. Er besitzt eine der größten privaten Sammlungen von Breitling-Uhren – wenn nicht sogar die größte weltweit. Man kann sagen, dass das Ergebnis dieser Zusammenarbeit überaus gelungen ist.

Mit einem Durchmesser von 40,9 mm (die Perlenlünette eingeschlossen), hat das Gehäuse die gleiche Größe wie das Original. Auch die Anzahl der Perlen von 94 ist identisch wie bei der 1959er-Version. Selbstverständlich ist das Zifferblatt komplett in Schwarz gehalten und die Uhr kommt ohne ein Datumsfenster aus. Direkt unterhalb der 12-Uhr-Position befindet sich der Breitling-Schriftzug in Großbuchstaben und das unbeschriftete Flügel-Logo. Diese Logo-Version wurde speziell für den europäischen Markt gewählt.

 

Breitling Navitimer re-edition 1959.011
Breitling Navitimer Neuauflage 1959.011, Foto: Bert Buijsrogge

Das Beste an diesem Modell ist aber vielleicht, dass Breitling keine Kosten und Mühen gescheut hat, ein eigenes manuelles Kaliber speziell für diese Uhr zu entwickeln. Das Manufakturkaliber B09, das auf dem B01 basiert, ist ein COSC-zertifiziertes Chronometer und hat ein Chronographenwerk mit Säulenrad und vertikaler Kupplung, das auf eine Viertelsekunde genau ist. Das Kaliber schlägt mit 4 Hz und hat eine Gangreserve von 70 Stunden. Zu sehen ist es nicht – wie das Original hat auch dieses Modell einen Gehäuseboden aus Edelstahl.

Mit ihrer besonderen und interessanten Geschichte ist die Breitling Navitimer Ref. 806 eine fantastische Uhr für Sammler von Vintage-Chronographen und Fans der Luftfahrt. Trotz ihrer guten Wertentwicklung ist sie für einen relativ erschwinglichen Kaufpreis zu bekommen. Außerdem: Sie sieht am Handgelenk wirklich großartig aus!

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Welche Navitimer ist die bessere?

Ist die Breitling Navitimer 8 eine richtige Navitimer?

Breitling Infografik: Piloten, Jets und Chronographen


Über den Autor

Tom Mulraney

Ich wuchs in den 1980er- und 90er-Jahren in Australien auf. In der Stadt, in der ich lebte, gab es keine nennenswerte Uhren-Szene. Lediglich ein Händler hatte …

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