02/28/2022
 5 Minuten

Gibt es die EINE perfekte Uhr?

Von Troy Barmore
A-Lange-Sohne-1815-Flyback-Chronograph-The-One-And-Only-2-1

Wie bei den meisten Unternehmungen im Leben gibt es auch beim Uhrensammeln Irrungen und Wirrungen, Glücksgriffe und Misserfolge. Was für viele als ein netter Zeitvertrieb beginnt – aus Neugier oder gar aus Jux –, kann sich schnell zu einer regelrechten Obsession auswachsen. Jede neue Uhrenentdeckung führt uns in ein neues, unüberschaubares Labyrinth aus Referenzen und Variationen. An jeder Ecke wartet eine neue Ikone, bis wir eine ganze Kiste entweder mit unseren Wünschen oder mit unseren Uhren füllen können, von denen die meisten jedoch nur selten den Weg ans Handgelenk finden.  

An einem gewissen Punkt müssen wir uns fragen: Wonach suchen wir eigentlich? Ist es die nächste Uhr und die Geschichte, die sie erzählt? Oder ist es das Stöbern und Studieren, der Nervenkitzel der Uhrenjagd? Oft schärft das lange Forschen auch den Blick, sodass viele Sammler ihren Uhrenbestand schließlich reduzieren und nur die wichtigsten Stücke behalten. Einige wenige schaffen es sogar, ihr Verlangen auf eine einzige Uhr zu konzentrieren: das letzte Puzzlestück, die persönliche Grail Watch. 

Zwischen Zweckmäßigkeit und Ästhetik

Die hypothetische Frage „Welche Uhr würden Sie wählen, wenn Sie nur eine besitzen dürften?“ stürzt Uhrensammler regelmäßig ins Dilemma. Es ist, als würde man einer guten Fee begegnen, die einem einen einzigen Wunsch gewährt (zahllose weitere Wünsche ausgeschlossen, versteht sich). Wir sind hin- und hergerissen bei dem Gedanken, uns für eine einzige Uhr entscheiden zu müssen. Gleichzeitig keimt Begeisterung auf: Was, wenn wir jede Uhr der Welt haben könnten? Wo soll man da überhaupt anfangen?

Betrachten wir es doch zuerst einmal von der praktischen Seite. Denn wenn man sich auf eine einzige Uhr festlegt, sollte diese zu jeder Gelegenheit passen und alles mitmachen. Sie muss elegant und gleichzeitig robust sein. Es sollte eine Uhr sein, die Sie mittags zum Tauchen und abends zur Dinnerparty tragen können.   

Die Rolex Submariner No Date: eine absolut vielseitige Uhr
Die Rolex Submariner No Date: eine absolut vielseitige Uhr

Vor noch nicht allzu langer Zeit musste die Armbanduhr stets perfekt zur Kleidung passen – so verlangte es die Etikette. Eine Dress Watch trug man zur Abendgarderobe und zu nichts anderem. Derartige Zwänge gehören heute weitgehend der Vergangenheit an. Wir wissen vielleicht noch um die einstigen Regeln, aber wir brechen sie mit dem größten Vergnügen. So gesehen gibt es vielleicht nur eine Uhr, die infrage kommt: die Rolex Submariner.  

Und wenn es schon eine Rolex Submariner sein soll, warum nicht eine ganz besondere? Wer sich die Zeit nimmt, in die Geschichte der Submariner einzutauchen, trifft auf eine Fülle von Möglichkeiten. Wir suchen hier allerdings etwas, das man tagein, tagaus tragen kann. Daher sind die Big Crowns und Milsubs mit sechsstelligen Angebotspreisen vielleicht etwas unpraktisch. Puristen werden sich wahrscheinlich für ein mattes Zifferblatt entscheiden, aber das könnte manchen wiederum etwas zu zweckorientiert erscheinen. Die Lösung dürfte irgendwo dazwischen liegen, zum Beispiel bei den glänzenden Gilt Dials der 1960er-Jahre mit ihren golden schimmernden Zifferblattelementen. Kaum etwas reicht an die praktische Schönheit des Obsidian-artigen Zifferblatts einer Gilt 5513 heran, dessen tintenschwarzer Hintergrund durch die goldenen Schriftzüge, die großen, verblassten Leuchtpunkte und die berühmte goldene Krone akzentuiert wird. 

Der große Auftritt

Andererseits: Wer hat schon mit dem Uhrensammeln begonnen, weil er auf der Suche nach der zweckmäßigsten Lösung war? Wenn Sie wirklich einen praktischen Allrounder möchten, gibt es unzählige Möglichkeiten, von denen keine eine fünfstellige Investition erfordert. Und tief in Ihrem Innern fragen Sie sich vielleicht, ob eine Rolex Submariner nicht doch eine etwas zu offensichtliche Wahl ist … Vielleicht besteht Ihr eigentliches Ziel darin, ein Gewinner zu sein. Vielleicht möchten Sie in Wirklichkeit eine Uhr haben, die Ihre Mitmenschen in ehrfurchtsvolles Staunen versetzt. Eine Uhr, bei der Sie jeder fragt: „Wie um alles in der Welt haben Sie die bekommen?“ 

Wenn Sie eine Patek Philippe Nautilus tragen, lautet die erste Frage immer gleich: „Wie haben Sie die bekommen?“
Wenn Sie eine Patek Philippe Nautilus tragen, lautet die erste Frage immer gleich: „Wie haben Sie die bekommen?“

Im Uhrenfieber der letzten Jahre jagte ein Hype den nächsten. Dies hat dazu geführt, dass all die hochgejubelten Uhrenmodelle unerschwinglich geworden und ohne jahrelanges Ausharren auf der Warteliste, Vitamin B und ein großzügig gefülltes Bankkonto nicht mehr zu bekommen sind. Mit den Summen, die man für diese Uhren auf den Tisch legen muss, könnte man mehreren Kindern die Ausbildung an einer Privatuni finanzieren. Natürlich gibt es genügend Uhrenliebhaber, die sich auch teuerste Zeitmesser leisten können. Wirklich Eindruck machen allerdings diejenigen, die es schaffen, eine dieser unerreichbaren Uhren zu ergattern, die sonst niemand hat. Wenn das Ihr Ziel ist, dann ist die Patek Philippe Nautilus Ref. 5711 in Tiffany-Blau das Nonplusultra.  

Die Patek Philippe Nautilus 5711 hat einen Hype erlebt wie keine zweite. Bereits zu Zeiten, als sie noch produziert wurde, war sie praktisch nicht zu bekommen. Für die Dreizeigeruhr aus Edelstahl, deren Listenpreis zuletzt um die 30.000 EUR betrug, bezahlen Sie heute weit über 100.000 EUR. Wenn Sie allerdings wirklich alle anderen vor Neid erblassen sehen und sich mit dem exklusiven Hauch einer Nautilus mit Tiffany-Signatur umgeben wollen, sollten Sie eher mit einem Preis von etwa einer halben Million rechnen. Aber ist ein glänzender Auftritt das nicht wert? 

Die einzig Wahre

Bei all der Hysterie rund ums Thema „Wer trägt was, wie hat er es bekommen und was hat er dafür ausgegeben“ muss man sich allerdings fragen, für wen wir diese Uhren eigentlich kaufen. Kaufen wir sie, um andere zu beeindrucken, oder weil es uns selbst Freude macht? Es ist sicherlich nichts falsch daran, etwas Besonderes besitzen zu wollen oder ein besonderes Ereignis mit einem außergewöhnlichen Schmuckstück zu würdigen. Aber wenn eine Uhr Ihr Herz nicht höherschlagen lässt – wozu dann das Ganze?  

Uhren bedeuten für jeden etwas anderes. Sie wecken Freude und Leidenschaft auf unterschiedlichste Weise. Wie und warum ist dabei nicht so wichtig. Für mich persönlich sind Uhren etwas Besonderes, weil sie Geschichten erzählen und die Fantasie anregen.  

Uhren bringen mich zum Träumen – von Abenteuern an fernen Orten und zauberhaften Abenden voller Glanz und Eleganz. Wie ein schönes Gemälde oder ein Gedicht kann die richtige Uhr den Geist in eine Zeit oder an einen Ort versetzen, den man selbst vielleicht nie erleben wird. Der Blick auf ein kunstvoll komponiertes Stück Mechanik, dessen filigrane und meisterlich verarbeitete Komponenten in präzisem Takt ineinandergreifen, ist ein Erlebnis, das nur wenigen Privilegierten zuteilwird.  

Meine große Liebe: Die A. Lange & Söhne 1815 Flyback Chronograph
Meine große Liebe: Die A. Lange & Söhne 1815 Flyback Chronograph

Und so habe auch ich meine große Uhrenliebe gefunden: die A. Lange & Söhne 1815 Flyback Chronograph. Obwohl ich das große Glück hatte, einige wirklich spektakuläre Zeitmesser anzuprobieren, darunter seltene Vintage-Referenzen und Megalithen der Uhrmacherkunst, hat mich keine dieser Uhren so sehr beeindruckt wie die 1815 Flyback Chronograph. Von der anmutigen Schlichtheit ihres symmetrischen Zifferblatts bis hin zu ihrem robusten und doch zurückhaltenden Gehäuse ist ihre Präsenz am Handgelenk der Inbegriff von schlichter Eleganz.  

Aber das ist noch nicht alles: Drehen Sie die Uhr um und bestaunen Sie das grandiose Uhrwerk. Das Gefühl, das der Anblick dieses uhrmacherischen Meisterwerks erweckt, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Die Hingabe, Leidenschaft und Expertise, die für die Herstellung dieser Uhr erforderlich waren, sind auf jeder polierten Kante und in jeder feinen Gravur sichtbar. Inspiriert von dieser Schönheit und dem, was nötig war, um sie zu erschaffen, beginne ich unweigerlich von Orten zu träumen, an denen eine solche Uhr getragen und bewundert werden würde.  

Es ist eine rein romantische Sache, diese Liebe, die wir für Uhren empfinden – und nur aus einer solchen Liebe heraus konnte ein Meisterwerk wie die 1815 Flyback Chronograph entstehen. Wenn eine einzige Uhr in der Lage ist, eine so tiefe Ehrfurcht in mir zu wecken, warum sollte ich jemals etwas anderes tragen wollen?   


Über den Autor

Troy Barmore

Schon in jungen Jahren war ich ein Uhrenliebhaber. Es begann damit, dass ich einen ganzen Sommer lang nur dafür jobben ging, meinem großen Bruder seinen Chronographen aus dem Hause Girard-Perregaux abzukaufen. Seitdem hat sich mein Geschmack stetig weiterentwickelt und erstreckt sich nun auch auf Vintage-Toolwatches und moderne unabhängige Hersteller.

Zum Autor

Aktuellste Artikel

Das Einmaleins der Rolex Sportuhren
03/01/2024
Buyers Guide
 5 Minuten

Das Einmaleins der Rolex Sportuhren

Von Chrono24
Rolex-Daytona-FP-Journe-Watch-Boxes-2-1
09/18/2023
Buyers Guide
 5 Minuten

Die Kunst der richtigen Aufbewahrung

Von Jorg Weppelink
ONP-463-Buyers-Guide-Rolex-Day-Date-2-1-DE
07/03/2023
Buyers Guide
 7 Minuten

Chrono24 Buyer’s Guide für die Rolex Day-Date

Von Sebastian Swart

Featured

ONP-929-Donatos-Uhrensammlung-2024-2-1
 5 Minuten

Das Beste für 24.000 EUR: Donatos perfekte Uhrensammlung für 2024

Von Donato Emilio Andrioli
10-best-watches-under-2000-1-1-2-1
Top 10 Uhren
 5 Minuten

Die zehn besten Uhren unter 2.000 EUR

Von Donato Emilio Andrioli
Jorgs Uhrensammlung für unter 24.000 EUR
 4 Minuten

Das Beste für 24.000 € im Jahr 2024: Jorgs perfekte Uhrensammlung

Von Jorg Weppelink
10-best-watches-under-2000-1-1-2-1
Top 10 Uhren
 5 Minuten

Die zehn besten Uhren unter 2.000 EUR

Von Donato Emilio Andrioli