Es fasziniert mich immer wieder, wie unglaublich vielfältig die Uhrenwelt ist. Die meisten Menschen denken direkt an traditionelle „Uhrenländer“, wie die Schweiz, Japan und Deutschland – und das nicht ohne Grund. Diese Nationen produzieren viele Uhren, unterhalten eine beträchtliche Fangemeinde und prägen (zu großen Teilen) die Branche. Manchmal tauchen jedoch plötzlich Marken auf, welche die Vormachtstellung dieser Marktführer auf die Probe stellen. Nicht, weil sie unangepasst wären, sondern, weil sie einfach einen neuen, einen frischen Ansatz bieten. Wenn man einer Tätigkeit längere Zeit nachgeht, können die ursprüngliche Entschlossenheit und der objektive Blick auf die eigene Arbeit im Laufe der Zeit verloren gehen. Viele dieser neuen Uhrenhersteller haben wenig Erfahrung in der Branche, sodass ihr Ansatz oftmals als eher merkwürdig erachtet wird. Als ich das erste Mal von anOrdain hörte, war ich sofort fasziniert und bin seitdem absoluter Fan.
Es dreht sich alles um die Emaille
Bei der WindUp 2019 traf ich zum ersten Mal die Macher hinter anOrdain. Es war ihr zweiter Auftritt bei der WindUp New York und ihr drittes WindUp-Event insgesamt, einschließlich des Events in San Francisco. Die Marke selbst ist jedoch noch sehr jung. Laut Nicky, einem der drei Emaillierer bei anOrdain, wurde das Unternehmen vor etwa fünf Jahren gegründet, Uhren werden aber erst seit zwei Jahren verkauft. Wie bei den meisten Marken sind auch hier die Emailtechniken geheim. Es hat schließlich eine Weile gedauert bis man bei anOrdain einen eigenen Weg gefunden hatte, um diese fantastischen Zifferblätter herzustellen. Als dieser dann gefunden war, entstanden phänomenale Ergebnisse. Natürlich wird jedes Zifferblatt vom selben hauseigenen Emaillierer hergestellt. Von der Kupferplatte bis zur Gravierung des Zifferblattes, erledigt anOrdain alles selbst. Sobald die Zifferblätter fertig sind, setzt der hauseigene Uhrmacher, die Uhren zusammen.
anOrdain’s Philosophie
Beim Gedanken an emaillierte Zifferblätter strömen direkt Bilder klassischer Designs mit traditionellen Linien in meinen Kopf. Die Uhren von anOrdain sind zweifelsohne elegant, kombinieren dabei aber auch traditionelle Techniken mit modernem Style. So besagt es auch ihr Motto: „Old crafts… New hands.“ (Altes Handwerk… neue Hände.) Andere Marken bieten ähnliche Uhren zu zehnmal höheren Preisen als anOrdain an. Außerdem sind sie auch das einzige Uhren-Unternehmen außerhalb von Japan und der Schweiz, die ihre emaillierten Zifferblätter selbst herstellen. Das erklärt vielleicht auch anOrdain’s vielfältige Kundenbasis. Diese reicht von junger Kundschaft, die etwas neues ausprobieren möchte, bis hin zu älteren und erfahreneren Uhrenliebhabern, die fantastische Handwerkskunst zu würdigen wissen. Außerdem kommen die Kunden aus der ganzen Welt, von den USA bis nach Asien und von überall zwischendrin. Diese junge Marke hat eine große Zukunft vor sich.
Uhren aus Schottland
Man kann sagen, dass anOrdain für schottische Uhrmacher unbekanntes Territorium ist. Das Team hat hauptsächlich künstlerischen Hintergrund, wie zum Beispiel in Schmuckdesign, Architektur, Produktgestaltung, etc.. Wenn Sie bereits die Gelegenheit hatten Schottland zu besuchen, verstehen Sie auch warum ein Unternehmen wie anOrdain in einer Stadt wie Glasgow gedeihen konnte. In Glasgow ist viel mehr los als in der Landeshauptstadt Edinburgh. Die Stadt ist jünger und moderner und viele der alten Industriebauten dort werden mittlerweile als Kunst- und Designstudios genutzt. anOrdain hat seine Zelte im East End der Stadt aufgeschlagen. In diesem kosmopolitischen Milieu stellt das kleine, aber engagierte Team junger Fachkräfte wundervolle Uhren her.
Die Modelle
Da anOrdain ein kleines Unternehmen ist, ist deren Katalog noch recht begrenzt. Derzeit bieten sie zwei Uhrenmodelle an: die New Model 1 und die Model 2. Jede Uhr verfügt über ein Zifferblatt aus Emaille, wie es bei anOrdain üblich ist. Das Design der Model-1-Uhren ist deutlich traditioneller mit ihren größeren 38-mm-Gehäusen, die 11 mm hoch sind und an 18-mm-Armbändern getragen werden. Sie können aus fünf verschiedenen Zifferblattfarben auswählen. Ansonsten sind die Uhren im Bezug auf Gehäuseform, Uhrwerk, etc. identisch. Mit 36 mm sind die Model-2-Uhren ein wenig kleiner. Die Zifferblätter sind hierfür im Fumé- oder im konventionellen Emaille-Stil erhältlich. Die Zifferblatt-Farben sind hier verspielter und bieten mehr Tiefe. Aufgrund ihres höheren Gehäuses wirkt sie sogar noch kleiner als 36 mm.
Die Zukunft
Die erste Model 1 war ein großer Erfolg, weswegen anOrdain diese Uhr Anfang 2020 als New Model 1 neu vorstellte. Außerdem ist auch ein drittes Modell in Planung. Ich persönlich freue mich schon sehr darauf. Ihre Produktionszahlen sind niedrig, aber konstant. An dieser Stelle möchte anOrdain vielleicht noch eine Schippe drauflegen. Außerdem experimentiert man bei anOrdain auch mit Komplikationen. Bei der Arbeit mit Emaille können allerdings bereits die kleinsten Komplikationen, wie eine Datumsanzeige, zu einer Herausforderung werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass sie das schaffen werden. Im Großen und Ganzen schaue ich anOrdain’s Zukunft mit Vorfreude entgegen und habe das Gefühl, dass wir uns noch viele Jahre an ihren großartigen Kreationen erfreuen können.
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