06/05/2024
 4 Minuten

Neue Strategie von Rolex: die Kraft der Kooperation

Von Aaron Voyles
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Neue Strategie von Rolex: die Kraft der Kooperation

Die Uhrenindustrie ist ein sich stetig entwickelndes Ökosystem. Vom Design bis zur Technik dieser Werkzeuge fürs Handgelenk – alles ändert sich schnell. Dies gilt auch für die Vermarktung von Uhren. Noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt verfügten die meisten Uhrenmarken nur über rudimentäre Websites, die gerade so ihren Zweck erfüllten. 

Darüber hinaus ist den meisten Marken die Bedeutung der sozialen Medien erst jetzt bewusst geworden, und Messen fürs breite Publikum, etwa die Geneva Watch Days, die Dubai Watch Week oder die Watches and Wonders, sind noch immer ein Novum. Ein weiteres Marketinginstrument, das endlich im Mainstream angekommen ist, sind Kooperationen. Dabei beruht die Uhrenindustrie seit jeher auf dem Konzept der Zusammenarbeit; so bezog ein Uhrmacher früher Gehäuse und Zifferblätter von den jeweiligen Herstellern vor Ort. Doch in den letzten Jahren begann eine Transformation, bei der Marken ihre Kräfte publikumswirksam bündeln und Uhren kreieren, die bei neuen Zielgruppen Neugier und Interesse wecken. Während dies für die meisten von uns nichts Neues ist, scheint Rolex erst jetzt seinen stoischen Marketingansatz zu ändern und Kooperationen in unterschiedlichem Maße zu integrieren. Werfen wir also einen Blick auf die jüngsten Kooperationen und finden heraus, inwiefern diese auf einen Wandel der Geschäftsstrategie hindeuten. 

 

Die Kooperationsgeschichte von Rolex

Es ist wichtig zu erwähnen, dass Rolex‘ Geschäftsprinzip ursprünglich darauf basierte, Produkte von anderen zu nehmen und sie einer neuen Zielgruppe zuzuführen. Hans Wilsdorfs Idee für Rolex – oder Davis & Wilsdorf, wie das Unternehmen damals hieß – bestand darin, Schweizer Uhrwerke in Schweizer Gehäuse einzuschalen und sie unter der Marke Rolex zu vermarkten, also nicht weit entfernt vom oben erwähnten Kooperationsgedanken. Später kamen Zifferblätter mit zwei Markenlogos dazu, was bereits auf eine eher proaktive Art der Kooperation hindeutete.  

Rolex Explorer II ref. 16550 cream Dial tiffany
Rolex Explorer II Ref. 16550 mit cremefarbenem Tiffany-Zifferblatt

Dies änderte sich jedoch Anfang der 1990er-Jahre, als Rolex die Geschäftsbeziehungen zu Tiffany & Co. abbrach und keine Garantien mehr für Uhren gewährte, auf die Tiffany sein Logo gestempelt hatte. Von da an war Rolex eine auf sich fokussierte One-Man-Show mit nur wenig Input vom Rest der Branche. Dies scheint sich jedoch in den letzten Jahren geändert zu haben. 

 

Ein neuer Wind

Eines der ersten Anzeichen dafür, dass Rolex sich für die Zusammenarbeit mit Dritten zu öffnen begann, war die Markteinführung der Deepsea D-Blue im Jahr 2014 zu Ehren von James Camerons elf Kilometer langem Abstieg in den Marianengraben zwei Jahre zuvor. Mit einem zweifarbigen Zifferblatt mit Farbverlauf von Blau nach Schwarz, das an die trüben Tiefen des Meeres erinnern soll, war diese Uhr eine klare Zäsur zu dem, was Rolex uns in den 20 Jahren zuvor präsentiert hatte. 

Rolex Deepsea D-Blue
Rolex Deepsea D-Blue

Als Nachfolgerin der Deepsea D-Blue brachte Rolex 2016 die Air-King Ref. 116900 auf den Markt. Inspiriert von den maßgeschneiderten Armaturenbrettuhren, die Rolex 2014 für den Bloodhound SSC angefertigt hatte, ein Fahrzeug, das den Geschwindigkeitsweltrekord an Land brechen sollte (dem Projekt wurde jedoch die Finanzierung entzogen und es scheiterte letztendlich), war diese Uhr ein weiterer Bruch mit Rolex‘ Alleingang bei der Uhrenherstellung. Nach diesen zwei „Kooperationen“ innerhalb von zwei Jahren schienen Rolex jedoch die Ideen auszugehen. 

 

Die Wiedergeburt der Kooperation

Im November 2022 brachte Rolex eine weitere Hommage an James Camerons Tauchgang in den Marianengraben im Jahr 2012 auf den Markt: die Deepsea Challenge, ein 50 mm großes Titan-Ungetüm mit einer Wasserdichtigkeit von 11.000 Metern. Ungeachtet dessen, wie unpraktisch sie für den Alltagsgebrauch ist mit ihrer Größe und Tauchfestigkeit, entpuppte sich die Deepsea Challenge als ein Marketingschachzug von Rolex, mit dem Ziel, seine Verbindung zur Leistung von jemand anders zu unterstreichen und gleichzeitig seine eigenen Fähigkeiten als Uhrenhersteller zu demonstrieren. Für mich markiert dies den Beginn eines Strategiewechsels von Rolex, der aufzeigt, wie wichtig Kooperationen für das langfristige Wachstum der Marke sein könnten.  

Daytona Le Mans
Daytona Le Mans

Kurz nach der Deepsea Challenge brachte Rolex eine seiner begehrtesten Neuerscheinungen aller Zeiten auf den Markt: die Le Mans Daytona, eine limitierte Daytona in Weißgold als Hommage an die einstige Paul Newman Daytona und gleichzeitig zur Feier des 100-jährigen Jubiläums von Le Mans. Diese Uhr, produziert von Juli 2023 bis April 2024, war ein sehr bewusster Schachzug von Rolex, die Geschichte eines anderen zu nutzen und sie mit einer eigenen Uhr zu verknüpfen. Während Rolex eine gemeinsame Geschichte mit der Tiefseeforschung durch den Bathyscaph Trieste und James Camerons Reise in die Tiefen des Marianengrabens im Jahr 2012 hatte, war die Verbindung zu Le Mans viel weniger greifbar. Dennoch war das Modell ein großer Erfolg und wird derzeit für um die 230.000 EUR gehandelt. 

 

Rolex heute

Wie wir inzwischen wissen, fing es mit der Le Mans Daytona gerade erst an. In diesem Jahr wurden bereits zwei weitere Uhren in Kooperation auf den Markt gebracht. Als erste Neuheit des Jahres 2024 brachte Rolex die Day-Date Wiener Philharmoniker auf den Markt, um Rolex‘ 15-jährige Partnerschaft mit dem Orchester zu feiern. Mit einem Zifferblatt, das speziell für die Philharmoniker entworfen und von ihnen inspiriert wurde, ist diese Uhr ein weiteres klares Zeichen, dass Rolex seine Verbindungen zu Veranstaltungen und Organisationen Dritter nutzen will, um das Interesse an den eigenen Zeitmessern zu steigern. 

Nur zwei Monate nach der Veröffentlichung der Philharmoniker-Day-Date enthüllte Rolex bei den Oscars im März 2024 inoffiziell eine weitere Neuheit, und zwar eine neue Day-Date. Obwohl es sich nicht um eine limitierte Auflage handelt, unterstreicht sie die veränderte Strategie von Rolex, seine Uhren auf kreative und ungewöhnliche Weise zu vermarkten, insbesondere wenn man bedenkt, wie konsequent der Marketingansatz des Herstellers seit den frühen 1990er-Jahren war. Angesichts der Häufung von Gemeinschaftsprojekten in der gesamten Branche und des zunehmenden Tempos solcher Veröffentlichungen von Rolex scheint es nur folgerichtig, in Zukunft mehr Sondereditionen des Riesen aus Genf zu erwarten. Die Strategie zielt darauf ab, jene Sammler bei der Stange zu halten, die das altbackene Marketing der Marke in den vergangenen Jahren vielleicht ein wenig gelangweilt hat.


Über den Autor

Aaron Voyles

Ich liebe alles an der Uhrmacherei, von der Kunstfertigkeit des Designs über die Technik, die in den Uhrwerken steckt, bis hin zu den spannenden Geschichten, die ihr Leben einhauchen.

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