08/09/2018 | Überarbeitet am: 06/22/2023
 4 Minuten

Die Quarzuhr: Grundlagen und Funktionsweise

Von Tim Breining
Nomos automatic movement

Wer anfängt, sich mit Luxusuhren zu beschäftigen, der wird schnell auf die Abgrenzung von mechanischen Uhren zu Quarzuhren stoßen. Auch führt kein Weg an der Story der gefürchteten „Quarzkrise“ vorbei, die in keiner Erzählung vom Aufstieg, Fall und der Wiedergeburt der mechanischen Uhr als Statussymbol fehlen darf.

Die Quarzuhr wird heute gerne auf die Rolle des günstigen Zeitmessers für die Massen degradiert, die wenig Wert auf mechanische Komplexität und Historie legen. Tatsache ist aber, dass auch hochwertige Zeitmesser von Quarzwerken angetrieben werden – und umgekehrt günstige Massenware mit mechanischen Werken keine Seltenheit sind. Es kommt immer auf den Einzelfall an!

Zu Zeiten ihrer Markteinführung galt die Quarztechnologie noch als exklusive, der traditionellen Uhr überlegene Technologie. Das ist sie faktisch auch, sofern man diesen Vergleich nur anhand der Performance anstrengt. Für diese Überlegenheit gibt es konkrete technische Gründe – genau wie es emotionale Gründe dafür gibt, dass sich die Quarzuhr nur dürftig im High-End-Segment ausbreiten konnte. Doch beginnen wir ganz von vorn.

Was ist eine Quarzuhr eigentlich?

Die Aufteilung in mechanische Uhren und Quarzuhren legt nahe, dass sich diese Technologien elementar unterscheiden müssen. Dies trifft einerseits zu, andererseits gibt es auch deutliche Parallelen in ihrer grundlegenden Funktionsweise. Es ist wenig sinnvoll, die Frage nach dem Wesen einer Quarzuhr zu stellen, ohne zumindest die Grundzüge der mechanischen Uhr verinnerlicht zu haben.

Ein Quarzwerk der 1980er-Jahre
Ein Quarzwerk der 1980er-Jahre

In einem weiteren Artikel haben wir diese Grundlagen der Funktionsweise von mechanischen Uhren bereits aufgezeigt. Sie können diesen gerne ergänzend durchlesen, da wir uns hier nur auf jene Aspekte mechanischer Zeitmesser beschränken werden, die für das Verständnis der Quarzuhr zwingend nötig sind.

Eine mechanische Uhr benötigt die folgenden Komponenten, um zu funktionieren und gebrauchstauglich zu sein:

  • Einen Energiespeicher, um die Uhr anzutreiben
  • Einen Gangregler, um der Uhr ihren Rhythmus vorzugeben
  • Ein Laufwerk, um Kräfte übertragen und wandeln zu können
  • Eine Hemmung, die das Bindeglied zwischen Gangregler und Laufwerk ist
  • Eine Anzeige, die dem Träger das Ablesen der Uhrzeit ermöglicht

Schauen wir uns an, wie diese Funktionen jeweils in einer Quarzuhr realisiert werden.

Wie speichert eine Quarzuhr Energie?

Was den Energiespeicher betrifft, dürfte weithin bekannt sein, dass diese Aufgabe in einer Quarzuhr von einer Batterie oder einem Akku übernommen wird. Batterien haben den Vorteil, überall verfügbare Standardteile zu sein, die selbst ein Laie mit wenig Werkzeug und Übung wechseln kann. Laufzeiten von mehreren Jahren sind hier absolut üblich. Akkus finden sich vor allem in Solaruhren. Sie sind herstellerspezifisch und schwieriger zu wechseln, was jedoch nur im Fall eines Defekts nötig ist, da sie immer wieder durch Sonnenlicht aufgeladen werden.

Erschwinglicher Bestseller aus dem Hause Casio: Die Kollektion GA-2100
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Herz und Taktgeber der Quarzuhr: der Quarzkristall

Richtig interessant wird es beim Gangregler: Der Gangregler einer Quarzuhr ist nicht nur deren Herzstück, sondern auch die namensgebende Komponente – ein Quarzkristall von exakt definierter Form. Diese Quarzkristalle haben die Eigenschaft, beim Anlegen einer Spannung in einer charakteristischen Frequenz zu schwingen. Diese beträgt in Armbanduhren typischerweise 32.768 Hertz, also 32.768 Schwingungen pro Sekunde. Andere Frequenzen sind denkbar, doch es sollte sich immer um eine Zweierpotenz handeln. Der Grund ist die elektronische Frequenzteilung, bei der ausgehend von der hochfrequenten Schwingung so oft durch zwei geteilt wird, bis man bei einem Signal pro Sekunde angelangt ist. Dieses ist wiederum ideal für die Steuerung der Zeigermotoren.

Was unterscheidet Quarzuhren und mechanische Uhren?

Genau an dieser Stelle zeigt sich ein elementarer Unterschied zur mechanischen Uhr: Die Anzeige, also die Zeiger der Uhr, werden mithilfe der aus der Schwingung abgeleiteten, sekundenweisen Signale gesteuert. Es gibt keine Hemmung, sprich mechanische Verbindung zwischen Gangregler und Energiespeicher, was ein Laufwerk mit seinen Zahnrädern und Lagern überflüssig macht. Somit wirken viel geringere Kräfte mit geringeren Reibungen.

Stattdessen steuern Schrittmotoren direkt die Anzeige, also die analogen Zeiger der Quarzuhr. Alternativ und wiederum effizienter kann auch ein Flüssigkristalldisplay als (digitale) Anzeige dienen – das technische Prinzip der Zeitmessung bleibt dabei aber identisch.

Quarzkristalle zählen außerdem zu den effizientesten Oszillatoren, was bedeutet, dass sie kaum gedämpfte Schwingungssysteme sind und somit nur minimaler Energiezufuhr bedürfen, um ihre Schwingung fortzuführen. Dies in Kombination mit der Abwesenheit einer mechanischen Hemmung ist ein Hauptgrund für die oft jahrelangen Gangreserven von Quarzuhren. Die gewaltigen Frequenzen der Schwingung wiederum garantieren eine minimale Beeinflussung durch äußere Beschleunigungen, die eine mechanische Uhr aus dem Takt bringen oder sogar beschädigen können.

Können auch Quarzuhren Luxusuhren sein?

Trotz der haushohen Überlegenheit hinsichtlich Ganggenauigkeit und -reserve sowie Robustheit stehen Quarzuhren bei Enthusiasten nicht allzu hoch im Kurs. Marken wie Citizen, Grand Seiko, oder Casio führen zwar Quarzuhren im vierstelligen Preissegment, doch diese erfordern viel Überzeugungsarbeit am Kunden. Als führende Unternehmen der Quarztechnologie versehen sie ihre High-End-Modelle mit exklusiven Quarzwerken, die dank zusätzlicher Optimierungen, wie der Kompensation des Temperatureinflusses, Ganggenauigkeiten im Bereich von zwei Sekunden im Jahr erreichen können – ohne Funkverbindung oder Synchronisation mit dem Smartphone.

High-End-Quarzwerk von Grand Seiko

Solche Werke werden meistens, ähnlich wie exklusive mechanische Kaliber, in Kleinserien von Hand montiert, während Quarzwerke aus der Massenfertigung in hochgradig automatisierten Fabriken vom Band laufen. Obwohl auch bei preiswerten mechanischen Werken ein hoher Automatisierungsgrad erreicht wird, stehen sie in der Gunst der Enthusiasten ungleich höher. Ihr traditionelles Erscheinungsbild, die sichtbare mechanische Komplexität und die Abwesenheit von Schaltkreisen und Elektronik passen einfach besser zum Ideal der zeitlosen – wenn auch unpräziseren – Uhr.

Fakt ist: Egal, ob Quarz oder Mechanik, Exklusivität und Know-how findet sich in allen Ausprägungen bei Zeitmessern beider Technologien!


Über den Autor

Tim Breining

Etwa 2014, während meines Ingenieurstudiums, begann ich mich für Uhren zu interessieren. Mit der Zeit wurde aus der anfänglichen Neugier eine Leidenschaft. Da …

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