03/11/2019
 5 Minuten

Was sind Bauhaus-Uhren?

Von Mathias Kunz
Was sind Bauhaus-Uhren?
Was sind Bauhaus-Uhren?

Nomos, Junghans, Patek Philippe – diese und viele andere Hersteller haben Bauhaus-Uhren im Angebot. Die Nomos Tangente gehört wie die Junghans Max Bill zu den bekanntesten Vertreterinnen dieses Uhren-Typs. Doch was kennzeichnet Uhren im Bauhausstil?

Das Bauhaus – Form follows function

Bauhaus-Uhren gehören zweifelsohne zu den beliebtesten Uhrentypen. Ein Blick auf die Geschichte des Bauhaus lohnt sich also, um bekannte Bauhaus-Modelle besser zu verstehen. Diese Historie reicht bis in das Jahr 1919 zurück, als Walter Gropius das Staatliche Bauhaus in Weimar gründete. Diese moderne Kunstschule wollte Kunst und Handwerk zusammenführen. So stehen im Gründungsmanifest von 1919 Sätze wie: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!“ sowie „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!“ Damit knüpft Gropius an die Ideale des Deutschen Werkbundes an, der 1907 gegründet wurde und zu den Vorgängerbewegungen des Bauhaus zählt. Bereits sechs Jahre nach der Gründung zog das Bauhaus nach Dessau. Dies hatte vor allem politische Gründe, da nationalistisch motivierte Angriffe auf Anhänger der Kunstschule zunahmen.

Die Bezeichnung Bauhaus ist an mittelalterliche Bauhütten angelehnt. Diese Werkstattverbände brachten beim Kathedralenbau mehrere Handwerke zusammen. Mit sakraler Architektur hat das Bauhaus allerdings nichts zu tun. Vielmehr steht Funktionalität im Vordergrund. Gropius formulierte es einst folgendermaßen: „Nur vollkommene Harmonie sowohl in der technischen Zweck-Funktion wie in den Proportionen der Formen kann Schönheit hervorbringen.“ Auch der bekannte Leitsatz Form follows function drückt aus, dass die Form der Funktion untergeordnet ist.

Anfang der 1920er-Jahre waren die teilweise radikalen Ideen der Bauhaus-Anhänger nicht unumstritten. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, kam es schnell zur Auflösung der Kunstschule. Doch zahlreiche Künstler flohen nach Westeuropa oder in die USA und verbreiteten dort ihre Ideale. Heute gilt das Bauhaus als eine der einflussreichsten Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts und hinterlässt seine Spuren auch in der Uhrenindustrie.

Purer Minimalismus bei der Junghans Max Bill

Die Junganhs Max Bill ist ein Design-Klassiker von Junghans. Der Uhrenhersteller aus Schramberg im Schwarzwald hat die berühmte Armbanduhr seit 1961 im Programm. Bereits Anfang der 1950er-Jahre beauftragte das Traditionsunternehmen den Schweizer Künstler, Architekten und Produktdesigner Max Bill, eine Küchenuhr zu gestalten. Bill kam 1908 zur Welt, studierte in Dessau am Deutschen Bauhaus und war einer der Gründer der Ulmer Hochschule für Gestaltung. Zusammen mit seinen Studenten entwickelte Bill die berühmte Junghans Küchenuhr, deren Design als Vorbild für die Armbanduhr diente.

Merkmale der Junghans Max Bill fürs Handgelenk sind ein flaches Gehäuse mit schmaler Lünette, ein gewölbtes Uhrglas sowie kurze Bandanstöße. Das Zifferblatt ist von filigranen Indizes geprägt, die bei manchen Varianten alle fünf Minuten besonders lang sind. Ebenfalls erhältlich sind Ausführungen mit arabischen Ziffern und kürzeren Indizes. Die langen und sehr dünnen Zeiger für Stunden, Minuten und Sekunden passen zum insgesamt minimalistischen Look der Junghans Max Bill, die es mit versilberten, anthrazitfarbenen oder schwarzen Zifferblättern gibt.

Junghans setzt bei den Taktgebern auf bewährte und robuste ETA-Kaliber. So kommt in der Max Bill Handaufzug das Kaliber J805.1 zum Einsatz. Dieses Uhrwerk basiert auf dem ETA 2801-2 und hat eine Gangreserve von 42 Stunden. In der Automatikvariante mit Datumsanzeige tickt das Kaliber J800.1, dessen Basis das weitverbreitete ETA 2824-2 ist. Das ETA Valjoux 7750 stoppt in der Chronographenversion die Zeit. Dieses Uhrwerk ist das wohl am häufigsten genutzte automatische Chronographenkaliber der Welt.

Nomos Tangente – die Designikone im Bauhausstil

Die meisten Menschen verbinden mit dem Bauhausstil ein schlichtes, geradliniges und auf das Wesentliche reduzierte Design. Helle Zifferblätter, arabische Ziffern oder schlanke Indizes und Zeiger sind bei vielen Bauhaus-Uhren zu finden. So zum Beispiel bei der Nomos Tangente, die seit 1992 auf dem Markt ist und zu den ersten vier Modellen der Glashütter Manufaktur gehört. Mittlerweile ist sie eine Ikone modernen Uhrendesigns und ohne Zweifel die bekannteste Nomos-Uhr.

Das Hauptmerkmal der Tangente ist ein aufgeräumtes Zifferblatt, auf dem sich arabische Ziffern mit schlanken Indizes abwechseln. Für die Minuterie kommen ebenfalls feine Strichmarkierungen zum Einsatz. Die langen, dünnen Zeiger für die Stunden und Minuten sind wie die kleine Sekunde bei 6 Uhr ein weiteres Kennzeichen der Tangente. Auch die abgewinkelten, schmalen Bandanstöße gehören zum typischen Look dieser Uhr im Bauhausstil.

Bei den Gehäusegrößen, Zifferblattfarben und Uhrwerken stehen zahlreiche Varianten zur Verfügung. So gibt es die Tangente mit klassischen 35 mm oder modernen 41 mm Durchmesser mit verschiedenfarbigen Zifferblättern. Darunter Töne wie Weiß, Champagner und Nachtblau.

Nomos stattet die Tangente-Modelle mit flachen Handaufzugs- oder Automatikwerken aus. Highlights sind hierbei die Neomatikkaliber DUW 3001 und DUW 6101, in denen das hauseigene Nomos-Swing-System tickt.

100 Jahre Bauhaus – limitierte Sonderedition zum Jubiläum

Nomos bringt zum 100-jährigen Geburtstag des Bauhaus eine Sonderedition der Tangente heraus. Jedes Modell der Serie ist auf jeweils 100 Exemplare limitiert. Ein skizzenpapierfarbenes Zifferblatt ist allen Ausführungen gemein. Hinzu kommt je nach Modell ein gelber, blauer oder roter Ring am Rand des Zifferblattes, der an die klassische Farbenlehre der Kunstschule erinnert. Der Edelstahlboden der 33 mm, 35 mm oder 38 mm Uhren ist besonders graviert: Auf ihm steht „Tangente Sondermodell – Ein Jahrhundert Bauhaus“. Außerdem können Sie ablesen, welches Exemplar Sie von den 100 verfügbaren besitzen.

Als Taktgeber kommt das Kaliber Alpha zum Einsatz. Das Handaufzugswerk ist ein Nomos-Klassiker, bietet eine Gangreserve von 43 Stunden und ist nur 2,6 mm hoch. Dank Sekundenstopp lässt sich die Uhrzeit auf die Sekunde genau einstellen.

Patek Philippe Calatrava – der Inbegriff der Dresswatch

Die Patek Philippe Calatrava ist für viele Uhrensammler und -fans eine Art Heiliger Gral. Viele betrachten sie als eine der urtypischen Dresswatches, die stilprägend für diesen eher klassischen Uhrentypus ist. Als die erste Calatrava – genauer die Ref. 96 – im Jahr 1932 herauskam, war ihr minimalistisches, geradliniges Design modern, gar avantgardistisch. Denn die Gestaltung der Calatrava, die ihren Namen dem Firmenlogo von Patek Philippe verdankt, ist stark vom Bauhausstil inspiriert. Für ihre minimalistische Gestaltung zeichnete der englische Uhrendesigner David Penney verantwortlich.

Kennzeichen der Patek-Philippe-Uhr sind ein gewölbtes Uhrglas, eine flache, polierte Lünette und ins Gehäuse integrierte Bandanstöße. Letztere sind ein wenig gebogen, sodass sich die Calatrava komfortabel ans Handgelenk anschmiegt.

Das Zifferblatt wirkt sehr aufgeräumt und klar. Auf der 6-Uhr-Position sitzt die kleine Sekunde. Dauphine-Zeiger aus Gold zeigen zusammen mit applizierten, trapezförmigen Goldindizes die Uhrzeit an. Dieses Design hat heute Kultstatus und diente als Vorbild für unzählige Uhren anderer Hersteller, aber auch von Patek Philippe.

Lange & Söhne 1815 Tribute To Walter Lange
A. Lange & Söhne 1815 „Homage to Walter Lange“

Dresswatch, aber nicht gleich Bauhaus

So gut wie jede Bauhaus-Uhr können Sie als Dresswatch zum Anzug tragen, doch nicht jede Dresswatch ist automatisch eine Uhr im Bauhausstil. Die Modelle der Linie 1815 von A. Lange & Söhne sind zum Beispiel sehr klassisch und elegant, erinnern mit ihren arabischen Ziffern, den gebläuten Lancette-Zeigern und der Eisenbahnminuterie jedoch mehr an klassische Taschenuhren. Auch die Jaeger-LeCoultre Reverso hat einen klassischen Look, ist aber mehr vom Art-déco-Stil inspiriert. Das Hauptmerkmal der Reverso ist ein rechteckiges Wendegehäuse.

Bauhaus-Uhren sind von schnörkelloser Eleganz und folgen dem Leitsatz Form follows function. Bei diesem Uhrentyp steht in jeder Hinsicht Funktionalität im Vordergrund. Deshalb sind die Zifferblätter übersichtlich gestaltet, sodass sie sich leicht ablesen lassen.

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Über den Autor

Mathias Kunz

Ich arbeite seit 2015 als Redakteur für Chrono24 und beschäftige mich tagtäglich mit Uhren. Am meisten fasziniert mich dabei die feine Mechanik, die zum einen für Tradition und zum anderen für …

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