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Watches and Wonders 2024 durch die Augen meiner Freunde

Von Kristian Haagen
19. April 2024
5 Minuten
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Watches and Wnders 2024 durch die Augen meiner Freunde

Anstatt nur meine eigenen Gedanken zu den diesjährigen Watches and Wonders-Neuheiten mitzuteilen, habe ich meine guten Freunde nach ihrer Meinung gefragt – nicht, weil ich faul bin, sondern weil auch die Meinung anderer Leute wichtig ist.

Wenn Sie die lichtdurchfluteten Hallen des Palexpo betreten – das sehr praktisch neben dem Genfer Flughafen liegt – werden Sie viele Gesichter sehen. Einige von ihnen treffen Sie vielleicht zum ersten Mal im wirklichen Leben, andere kennen Sie schon seit Jahren. Uhrenjournalisten sind in der Regel eine eingeschworene Gemeinschaft.

Zur Watches and Wonders kommen Journalisten aus aller Welt zusammen, um sich über alte Zeiten und neue Uhren zu unterhalten, die auf der sechstägigen Messe vorgestellt werden.
Die jährliche Veranstaltung bot in diesem Jahr neue Zeitmesser von 54 Uhrenmarken – ein Rekordhoch. Wir sahen Neuheiten von Rolex bis Chopard, von Bell & Ross bis Hautlence, von Cartier bis Patek Philippe und alles dazwischen – die Crème de la Crème der Uhrmacherei, alles unter einem Dach. Und was unter diesem Dach stattfindet, ist eine große, extravagante Show, auf die wir Uhrenautoren uns jedes Jahr freuen. Ich habe die Messe jetzt 23 Jahre in Folge besucht, nur unterbrochen durch COVID.

Ich habe die Messe 23 Jahre hintereinander besucht …

Bevor wir jedoch weitermachen, sollten wir uns auf Folgendes einigen: Niemand braucht eine mechanische Uhr. Und niemand braucht jedes Jahr eine neue mechanische Uhr. Hodinkee-Gründer Benjamin Clymer sagte in einer aktuellen Folge von Hodinkee Radio: „Mein Traumszenario für Rolex wäre, sie würden überhaupt nichts tun. Sie würden einfach sagen: ‚Wisst ihr was? Die Lage muss sich beruhigen. Wir werden einfach mehr von dem herstellen, was bereits im Katalog ist.‘ Und ich denke, das wäre ein wirklich starkes Signal an den Markt und die Branche.“

Ich verstehe Clymers Punkt, denn es erscheint mir unnötig, jedes Jahr mit einer Flut von Neuheiten aus der Uhrenbranche überschwemmt zu werden. Und ich glaube, die meisten Marken, die bei der Watches and Wonders ausstellen, hätten nichts gegen die Idee einzuwenden. Die Pause könnte es den Uhrmachern ermöglichen, sich mehr auf bestehende Modelle zu konzentrieren. Seien wir ehrlich, eine Uhr wird nicht besser durch eine neue Zifferblattfarbe.

„Ein Hamsterrad, in dem man Neues zum Selbstzweck produziert“, wie es Clymer formuliert. Oder, wenn wir angesichts all der neuen Uhren, die Jahr für Jahr auf den Markt kommen, den größeren Kontext betrachten und Professor Brian Cox, den englischen Physiker und Professor für Teilchenphysik an der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Manchester, zitieren: „Was ist Zeit? Das klingt nach einer so einfachen Frage. Und die korrekte wissenschaftliche Antwort ist, dass wir es nicht wissen.“

Das einzige Dilemma bei Clymers auf den Punkt gebrachter Bemerkung zu neuen Uhren und Prof. Cox’ wissenschaftlichen Überlegungen ist jedoch, dass Konsumenten und Uhrenliebhaber ihr Interesse an Uhren verlieren könnten, würden sie dabei nicht an die Bedeutung mechanischer Mikrotechnik erinnert werden. Schlimmer noch: Uhrenjournalisten würden ihre Arbeit verlieren, und niemand mag arbeitslose Uhrenjournalisten.

Aber zurück zur diesjährigen Uhrenmesse …

Die Watches and Wonders ist ein großes Event. Für Uhrenjournalisten ist das vergleichbar mit Weihnachten. Unser Stress beginnt schon Monate vor der Veranstaltung, da unsere Terminpläne immer enger werden. Wir buchen Termine doppelt und rennen während der Messe ständig zu spät zum nächsten Meeting oder der nächsten Präsentation. Und nicht nur das, auch in den Tagen vor, während und den Wochen nach der Watches and Wonders sind wir redlich bemüht, alle unsere Deadlines einzuhalten. Vielleicht hat Benjamin Clymer also recht, der allgemeinen Gesundheit zuliebe: Brauchen wir tatsächlich jedes Jahr so viele neue Uhren?

Schlechte Laune und Altherrengenörgel beiseite, bei der Watches and Wonders 2024 gab es natürlich jede Menge neue Uhren, also fragte ich meine Freunde, was sie gesehen haben und was ihnen gefallen hat.

Łukasz Doskocz, Chefredakteur bei CH24.PL

„Die diesjährige Watches and Wonders schien eher verhalten zu sein, mit nur wenigen ‚Wow‘-Momenten. Zeniths neueste Version der Defy Extreme-Linie ist jedoch eine gelungene Taucheruhr: leicht dank Titan, mutig dank kantiger Konturen, strahlend dank blauem Zifferblatt und vielseitig dank eines Sets aus ganzen drei Armbändern.“

The new Defy Extreme Diver is available in black or blue.
Eine Taucheruhr, wie sie sein soll: die neueste Zenith Defy Extreme

Lex Stolk, leitender Redakteur bei Fratello Watches

„Die Rückkehr der Jaeger-LeCoultre Duometre war für mich eines der Highlights. Sie kam 2007 auf den Markt, war ihrer Zeit jedoch voraus. Jetzt ist das Duometre-Konzept mit neuen Kalibern, Gehäusen und Komplikationen zurück – alles atemberaubende Kreationen.“

Jaeger-LeCoultre Duometre Heliotourbillon Perpetual
Jaeger-LeCoultre Duometre Heliotourbillon Perpetual

Tracey Llewellyn, Uhrenredakteurin bei The Telegraph

„Die Aufmerksamkeit, die den Damenuhren zukam (im Gegensatz zum jüngsten Überfluss an Unisex-Modellen), war deutlich erkennbar, mit besonders begehrenswerten Stücken von Chanel, Van Cleef & Arpels und Beauregard. Aber das vielleicht aufregendste von allen war die fabelhafte Hermes Cut. Von einem Besucher als ‚eine freudige Verwirrung der Formen‘ beschrieben, wird sie sicher in die erfolgreichen Fußstapfen ihres älteren Schwestermodells H08 treten.“

Robin Swithinbank, freiberuflicher Journalist und Redakteur

„Die Portugieser ist ein Dauerbrenner, und es besteht wenig Zweifel, dass die treuen Anhänger die sanftere Farbpalette der neuen Kollektion begrüßen und den Ewigen Kalender als Meilenstein der Uhrmacherkunst bezeichnen werden. Modemagazine werden sich insbesondere auf die weißgoldenen Horizon Blue-Modelle stürzen. Doch dieses Jahr gibt es einen zusätzlichen Ballast für die Linie, da IWC Berichten zufolge im Jahr 2023 gegenüber seinen Konkurrenten an Boden verloren hat. Eine Rückkehr zur klassischen Portugieser nach Jahren des Experimentierens mit kräftigen Farben und tiefgreifenden Innovationen könnte genau das richtige Rezept für die Marke sein.“

Portugieser Eternal Calendar ref. IW505701
Portugieser Ewiger Kalender Ref. IW505701

Frank Geelen, Gründer und Chefredakteur von Monochrome Watches

„Auch dieses Jahr wurden wieder ultraflache Rekorde gebrochen und wir sehen Uhren, die so flach sind, dass man es kaum fassen kann. Dieses Streben nach der ultimativen Schlankheit begann vor etwa 10 Jahren und es scheint, als befänden wir uns im goldenen Zeitalter der ultraflachen Uhren. Dieses Jahr mündete die Suche nach der schmalsten Uhr der Welt in einer Gehäusedicke von nur 1,70 mm bei der Bulgari Octo Finissimo Ultra COSC. Ja, diese Uhr ist sogar Chronometer-zertifiziert, was beweist, dass sie mehr als nur ein Prototyp ist. Der andere Weltrekord geht an Piagets Altiplano Ultimate Concept Tourbillon, die nicht mehr als 2 mm in der Höhe misst. All dies wurde erst durch die bahnbrechende Piaget 900P von vor etwa zehn Jahren möglich, die erstmals demonstrierte, dass Gehäuseboden und Hauptplatine zusammengeführt werden konnten, um eine noch größere Schlankheit zu erreichen.“

Piaget Altiplano Ultimate Concept Tourbillon
Piaget Altiplano Ultimate Concept Tourbillon

Justin Hast, freiberuflicher Uhrenautor

„Ich bin ein einfacher Mann. Frühes Zubettgehen, warmes Wetter, Krafttraining und Beef Wellington Medium Rare sind genau mein Ding. Und wenn es um Uhren geht, schätze ich die einfachen, gut gemachten Dinge. Vacheron Constantin ist nicht nur der älteste aktive Uhrenhersteller, sondern erlebt auch in den letzten Jahren einen Höhenflug. Und bei der Watches and Wonders 2024 war der Star der Show für mich keine große Komplikation, sondern eine nur die Zeit anzeigende 39-mm-Dresswatch anlässlich des Jubiläums der Patrimony-Kollektion. Mit einem Handaufzugswerk, einem Zifferblatt in Altsilber sowie zweifarbigen Indizes und Gehäuse strahlt sie pure Klasse aus!“

Natürlich wäre dieser Artikel nicht vollständig, wenn Benjamin Clymer mir nicht verraten hätte, welche neue Rolex ihm ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Die berühmten letzten Worte stammen also von ihm:

„Die Rolex Daytona Le Mans aus Gelbgold. Sie werden sie nicht im Katalog finden, da es sich nicht um eine offizielle Veröffentlichung handelt, aber die Welt hat sie bereits auf Instagram gesehen. Dies ist eine ganz besondere Uhr von Rolex“, schwärmte Clymer bei unserem Treffen am ersten Tag der Watches and Wonders 2024.

Clymer besitzt bereits die Weißgoldversion der Daytona Le Mans, deren Produktion 2024 eingestellt wurde. „Ich sage es nur ungern, aber ich bevorzuge die Gelbgoldversion. Ich bin ein Gelbgold-Typ. Tatsächlich trage ich gerade Gelbgold“, sagte er, als ich ihn fragte, welche der beiden er bevorzuge, und zeigte mir seine atemberaubende Patek Philippe Ref. 2526.

Natürlich geht es bei der Watches and Wonders um neue Uhren, aber auch um alte Freundschaften, wie dieser Artikel und die alten Uhren, die von geschätzten Kollegen und Freunden wie Benjamin Clymer getragen werden, beweisen.

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Über den Autor

Kristian Haagen

Kristian Haagen

Ich habe mit etwa 20 Jahren angefangen, Uhren zu sammeln. Am liebsten mag ich Vintage-Uhren. Mit ihnen sind oft faszinierende Geschichten und coole Hintergründe verbunden. Ihre Herkunft kann eine Uhr viel interessanter machen, als es jede noch so tolle neue Uhr ohne Hintergrund-Story je sein könnte.

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