
Ist es eine Uhr oder moderne Kunst? Sicher ist, dass die Erzeugnisse des Schweizer Herstellers MB&F zu den extravagantesten der Branche gehören. Viele der futuristisch anmutenden Zeitmesser aus Gold & Platin können als Skulpturen durchgehen.
Der Name MB&F steht für Maximilian Büsser & Friends. Büsser gründete das Unternehmen im Jahr 2005 und hat in relativ kurzer Zeit für viel Aufsehen gesorgt. MB&F versteht sich als wagemutiges Labor, das mit seinen Konzepten gegen die etablierte Uhrenbranche rebelliert – allerdings mit Werkstoffen wie Gold und Platin. Dabei beschränkt sich die Firma nicht allein auf Zeitmesser, die man am Handgelenk trägt. MB&F steht quasi für die Fortsetzung der Kaminuhr mit anderen Mitteln – irgendwo zwischen Steampunk und Science-Fiction.
Was MB&F hervorbringt, sind daher nach eigener Diktion keine Uhren, sondern Maschinen. Sie unterteilen sich in die Horological Machines und die Legacy Machines. Hinzu kommt eine Kollektion namens Performance Art, in der sich ebenfalls einige wundersame Zeitmaschinen versammelt haben.
Die Modellreihe der Horological Machines besteht aus rund zehn Armbanduhren. Den Auftakt machte die HM1 mit einem Weiß- oder Rotgoldgehäuse in der Form einer waagerecht gedrehten 8. Die Abmessungen betragen 41 x 64 x 14 mm. Also genügend Platz, um 376 Teile unterzubringen und die weltweit erste Armbanduhr mit vier Federhäusern zu konstruieren, die ihre Energie aus zwei Quellen gleichzeitig an die Hemmung weitergibt. In zentraler Position dreht sich ein Tourbillon, um den negativen Einfluss der Schwerkraft auf die Ganggenauigkeit zu verringern. Die HM1 bildet Stunden und Minuten auf separaten Zifferblättern ab und besitzt für ihre Gangreserve von 7 Tagen einen eigenen Zeiger.
Für die HM4 haben die Anzeigen eines Flugzeugcockpits Pate gestanden. Büsser hatte als Kind begeistert Modellflugzeuge zusammengesetzt und ließ seine Erinnerungen in Form der dreidimensionalen HM4 wieder aufleben. Die Uhr besteht aus zwei trichterförmigen Instrumenten, die nebeneinander angeordnet sind. Das rechte zeigt die Uhrzeit mit zwei großen Zeigern an, das linke die Gangreserve. Dazwischen befindet sich die „Antriebseinheit“, ein Handaufzugswerk mit einer Gangreserve von 72 Stunden. Beim Gehäuse (54 x 52 x 24 mm) besteht die Wahl zwischen Titan und Rotgold.
Ganz auf Zeiger verzichtet die HM5 mit dem Beinamen On the Road Again. Sie stellt die Uhrzeit mit springenden Ziffern in einem kleinen Displayfenster dar. Beim Autofahren muss man die Hände nicht vom Lenkrad nehmen, um die Zeit ablesen zu können. Das keilförmige Gehäuse dürfte den Fans futuristischer Sportwagen aus den 1960er- und 1970er-Jahren bekannt vorkommen. Vor allem der nie in Serie gegangene Bertone Carabo von 1968 feiert in Form der HM5 fröhliche Wiederauferstehung. Außerdem ist diese Uhr eine Hommage an die Amida Digitrend, eine 1976 präsentierte Autofahreruhr mit einem ähnlichen Anzeigesystem. In der Horological Machine Nr. 5 steckt ein Automatikwerk mit einer Gangreserve von 42 Stunden.
Die Legacy Machines beruhen auf einem Gedankenspiel Maximilian Büssers: Welche Uhren hätte MB&F entworfen, wenn es den Hersteller schon vor etwa 100 Jahren gegeben hätte, zur Anfangszeit der Armbanduhren? Star Wars oder Düsenjets hätten als Inspirationsquelle nicht existiert, stattdessen aber der Eiffelturm oder die Zukunftsromane von Jules Verne. Die LM Nr. 1 ist das erste Ergebnis von Büssers Hypothese. Wesentliche Teile des Uhrwerkes sind nach oben verlagert, um die Mechanik in Bewegung sehen zu können. Links und rechts der erhaben platzierten Unruh befindet sich je ein Zifferblatt mit römischen Ziffern, sodass die Uhr über zwei Zeitzonen verfügt.
Ein weiteres Modell dieser Reihe ist die Legacy Machine Perpetual. Sie nutzt das komplett neu entwickelte Kaliber 581 mit Ewigen Kalender, allerdings ohne ein übersprungenes Datum oder klemmende Zahnräder – früher häufige Begleiterscheinungen dieser Komplikation. Als Skelettuhr gewährt die LM Perpetual einen ungehinderten Blick auf ihr ausgeklügeltes Werk, das mit 18.000 Halbschwingungen pro Stunde (2,5 Hz) relativ langsam tickt. Das Gehäuse hat einen Durchmesser von 44 mm, eine Höhe von 17,5 mm und besteht wahlweise aus Rotgold oder Platin.
In der Kollektion Performance Art hat MB&F eine Reihe von Ausnahme-Uhren zusammengefasst. Da wäre etwa Sherman, der freundliche Roboter. Er rollt auf Gummi-Laufketten, um mit seinem Uhrwerk-Torso und zwei gebläuten Zeigern die Zeit mitzuteilen. Der 14,3 cm hohe Sherman setzt sich aus 200 Teilen zusammen, die entweder mit Palladium oder mit Gold beschichtet sind. Eine Uhr als Körper besitzt auch die Arachnophobia. Das Kaliber ruht auf acht Spinnenbeinen und wird mit einem Schlüssel aufgezogen. Die Arachnophobia ist mit ausgeklappten Beinen 20 cm hoch. In einer mit Gelbgold beschichteten Variante wiegt sie fast 2 kg. Wie ein Raumschiff wirkt die Starfleet Machine mit einer Höhe von 21 cm und einem Durchmesser von 29 cm. Auch ihr Werk besitzt einen Aufzugsmechanismus per Schlüssel. Es stammt von L’Epée 1839, dem letzten Schweizer Hersteller für High-End-Kaliber von Stand- und Wanduhren. L’Epée 1839 hat auch beim Roboter Sherman dafür gesorgt, dass sich seine Zeiger präzise und zuverlässig drehen. Das Werk der Starfleet Machine ruht in der Mitte der Uhr, seine Gangreserve beträgt knapp sechs Wochen. Eine schwarze Kuppel über dem Kaliber zeigt Stunden und Minuten an. Das umgebende Metallgestell der Starfleet Machine besteht aus Edelstahl und ist optional mit einer schwarzen Ruthenium-Beschichtung erhältlich.
Um solche Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, arbeitet die Manufaktur mit namhaften Künstlern zusammen. Etwa mit der Niederländerin Jennifer Townley, die seit dem Jahr 2008 Bekanntheit für ihre mechanischen Skulpturen erlangt hat. Für die Performance-Art-Uhren von MB&F dürften sich auch Menschen begeistern, die sich einen edlen Analog-Plattenspieler in ihr Loft stellen, um sich an der Bewegung und ausgeklügelten Mechanik zu erfreuen. Die Preise für eine Uhr von MB&F beginnen im unteren fünfstelligen Bereich.
Firmengründer Maximilian Büsser, 1967 in Mailand geboren, startete seine Firma im Juli 2005. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine erfolgreiche Karriere in der Uhrenbranche hingelegt. Im Jahr 1991 hatte er das Institut für Technologie in Lausanne mit einem Master-Abschluss in Mikrotechnolgie verlassen und begann seine Laufbahn bei Jaeger-LeCoultre. Dort blieb er sieben Jahre und war für Produktentwicklung sowie für den Verkauf und das Marketing auf dem europäischen Kontinent zuständig. 1998 wechselte Büsser zum Juwelierkonzern Harry Winston und leitete von Genf aus die Rare-Timepieces-Uhrensparte. Er steigerte dabei den Umsatz um 900 %. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen schloss er sich 2005 mit seinem Geschäftspartner Serge Kriknoff zusammen. Ihr erstes Produkt, die Horological Machine Nr. 1, brachten sie 2007 heraus.
Mit ihren Zeitmessern und Skulpturen hat die Firma MB&F den Luxusuhren-Markt kräftig aufgemischt. Der Hersteller spricht vorwiegend Menschen an, die das Moderne und Ungewöhnliche lieben und Uhren nicht rein pragmatisch sehen, sondern einen „Hingucker“ wollen. Mit einem ähnlichen Konzept ist auch Hublot erfolgreich. Nicht allein die spektakuläre Optik macht die Produkte von MB&F attraktiv. Technikfans kommen ebenfalls auf ihre Kosten, denn die Kaliber bieten Uhrmacherkunst auf höchstem Niveau.