Geht es um mechanische Uhren, steht heutzutage meist die Optik im Vordergrund. Ein Blick auf das Zifferblatt genügt, und wir wissen wie spät es ist – dank Leuchtmasse sogar im Dunkeln. Auch die meisten Komplikationen geben ihre Informationen visuell wieder. So zeigt beispielsweise ein Flyback-Chronograph die verstrichene Zeit oder ein Ewiger Kalender jedes nur denkbare Datum an.
Doch bevor die Elektrizität in unsere Welt Einzug hielt, war es gar nicht so einfach, in der Nacht die Uhrzeit von Stand- oder Taschenuhren abzulesen. Die Lösung waren Schlagwerke, die die Zeit durch Töne anzeigen konnten. In einigen Taschenuhren gab es diese Funktion sogar noch vor Zeigern und Zifferblättern.
Schlagwerke gelten allgemein als eine der komplexesten, wenn nicht sogar die komplexeste (Zusatz) Funktion, die es bei Armbanduhren gibt und die nur von einer handvoll der besten Uhrmacher weltweit beherrscht wird. Doch nicht alle Schlagwerke sind gleich. Zwar zeigen alle die Zeit durch Töne an, doch unterscheidet sich die Funktionsweise der einzelnen Systeme. Allgemein gesprochen kann man sie in zwei Kategorien aufteilen: Repetition und Sonnerie. Erfahren Sie im Folgenden, was die beiden unterscheidet und entdecken Sie einige der besten Armbanduhren mit Sonnerie.
Sonnerie vs Repetition
Am einfachsten versteht man den Unterschied zwischen Sonnerie und Repetition, wenn man sich die Funktionsweisen der verschiedenen Typen vor Augen führt.
Grand Sonnerie („Großer Schlag”): Die Uhr schlägt automatisch und ohne Zutun des Trägers die Zeit. Die Glockenschläge zeigen sowohl die vollen Stunden an, als auch alle Viertelstunde die Viertel gemeinsam mit den Stunden.
Petite Sonnerie („Kleiner Schlag”): Die Uhr schlägt die Zeit zu jeder vollen Stunde und den Viertelstunden. Im Gegensatz zur Grand Sonnerie werden bei den Viertelstundenschlägen die vollen Stunden nicht geschlagen. Zu den vollen Stunden ertönen also nur die Stunden und zu den Viertelstunden nur die Viertel.
Repetition: Bei einer Uhr mit Standardrepetition betätigt der Träger bei Bedarf einen meist an der Seite der Uhr befindlichen Hebel, um die Uhrzeit durch das Schlagwerk angezeigt zu bekommen. Zu den verschiedenen Variationen zählen die Halbviertel- und Viertelrepetition, die 5-Minutenrepetition und die Minutenrepetition.
Uhren mit Sonnerie schlagen die Zeit also immer in festgelegten Intervallen (volle Stunde, Viertelstunde), wohingegen die Glöckchen von Repetitionsuhren nur bei Bedarf erklingen. Allerdings bieten auch moderne Sonnerie-Uhren ihrem Träger die Möglichkeit, das Schlagwerk zu jeder beliebigen Zeit zu aktivieren. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, gibt es auch Situationen, in denen es stört, wenn die Uhr alle 15 Minuten gut hörbar die Zeit schlägt (z.B. wenn Sie in einem wichtigen Meeting sitzen, schlafen wollen oder beides). Deshalb ist es bei den meisten Uhren mit Sonnerie möglich, den Mechanismus durch einen kleinen Hebel stumm zu schalten.
Betrachten wir nun einige der spektakulärsten Zeitmesser mit Sonnerie-Funktionen:
Philippe Dufour Grande und Petite Sonnerie
Die erste Uhr auf unserer Liste ist wahrscheinlich die wichtigste, denn sie war schlicht die erste ihrer Art. Sie lesen richtig, denn auch wenn es das Konzept des Schlagwerkes bereits seit dem späten 15. Jahrhundert gibt, stellte sich die Umsetzung einer Sonnerie in einer Armbanduhr als so kompliziert heraus, dass es bis 1992 dauerte, bis der unabhängige Uhrmachermeister Philippe Dufour eine solche Komplikation erfolgreich umsetzen konnte. Von der Uhr, die als Dufours Meisterstück gilt, baute er über mehrere Jahre verteilt nur vier Stück, die alle eher schlicht daher kommen. Im Jahr 1999 folgte dann eine deutlich ausgefallenere Version, bei der ein Zifferblatt aus Saphirglas das Uhrwerk inklusive des Schlagwerks sichtbar macht.
Die Uhren verfügen sowohl über eine große wie eine kleine Sonnerie. Zwei Schieberegler, die sich je nach Modell zu beiden Seiten der Krone oder einer aufklappbaren Lünette befinden, erlauben es dem Träger, sowohl den Schlagmodus zu wählen als auch das Schlagwerk stumm zu schalten. Ein Druck auf die Krone aktiviert den Schlagmechanismus bei Bedarf. Um diesem Kunstwerk gerecht zu werden, müsste man ihm eigentlich einen eigenen Artikel widmen.
A. Lange & Söhne Zeitwerk Striking Time
Über die Jahre haben Armbanduhren mit Schlagwerk die unterschiedlichsten Formen angenommen. Die Zeitwerk Striking Time der deutschen Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne ragt in dieser Beziehung vielleicht am meisten heraus. Gar nicht so sehr, weil die Uhr so kompliziert und aufwendig ist, sondern ihrer ungewöhnlichen Ästhetik wegen. Die Zeitwerk besitzt eine Anzeige, die gern als digital bezeichnet wird, auch wenn sie zu 100 % mechanisch betrieben wird. Die exakt springenden Stunden- und Minutenzähler fallen sofort ins Auge.
Bei näherem Hinsehen kann man zu beiden Seiten des Hilfszifferblatts für die kleine Sekunde bei der 6-Uhr-Position zwei kleine Hämmer erkennen. Sie sind Teil der kleinen Sonnerie. Der Hammer zur Linken schlägt die Stunden in einem tiefen Ton, während der Hammer auf der rechten Seite die Viertel in einem höheren Ton schlägt. Da die Uhr nicht mit einer Repetition ausgestattet ist, ist es leider nicht möglich das Schlagwerk bei Bedarf auszulösen.
F.P. Journe Sonnerie Souveraine
Wer sich in der Welt der feinen Uhrmacherei auskennt, dem ist unser nächster Kandidat unter Garantie ein Begriff. F.P. Journe gilt als einer der besten lebenden Uhrmacher der Welt. Bei einem Blick auf seine Sonnerie Souveraine, versteht man auch, warum. Sechs Jahre Entwicklungsarbeit waren nötig, um diese Uhr Realität werden zu lassen. Ein einzelner Uhrmacher braucht über drei Monate, um alle 582 Teile der Uhr zusammenzusetzen.
Nichtsdestotrotz stand bei der Entwicklung eine möglichst einfache Bedienbarkeit im Vordergrund. Der Drücker bei der 2 aktiviert die Minutenrepetition, während der Drücker bei 4 Uhr zwischen großer und kleiner Sonnerie umschaltet oder das Schlagwerk deaktiviert. Während der Arbeit an diesem Meisterstück hat F.P. Journe insgesamt zehn Patente angemeldet – unglaublich!
Credor Spring Drive Sonnerie
Zu guter Letzt wäre da noch die Credor Spring Drive Sonnerie der japanischen Uhrenmanufaktur Seiko. Diese Uhr sticht aus unserer Liste nicht nur deshalb heraus, weil sie das einzige nicht-europäische Modell ist, sondern vor allem wegen ihres recht ungewöhnlichen Schlagwerks. Es ist weder eine große noch eine kleine Sonnerie, es liegt eher irgendwo dazwischen. Zur Auswahl stehen drei Modi: „Sonnerie” schlägt zu jeder vollen Stunde die Zeit, „Original” gibt die Zeit alle drei Stunden (12:00 Uhr, 3:00 Uhr, 6:00 Uhr und 9:00 Uhr) durch drei Schläge an, „Silent” deaktiviert das Schlagwerk.
Das Wechseln zwischen den einzelnen Modi gestaltet sich einfach. Eine Anzeige hilft dabei, nicht den Überblick darüber zu verlieren, in welchem Modus man sich gerade befindet. Eine manuell aktivierbare Stundenrepetition ist ebenfalls vorhanden. Insgesamt vielleicht etwas ungewöhnlich, trotzdem aber ungemein faszinierend.
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