06/22/2021
 6 Minuten

Editor’s Story: Vom Maschinenbauer zum Uhrennerd

Von Tim Breining
Tim Breining Chrono24

Über zehn Autoren schreiben regelmäßig für das Chrono24 Magazin, die Gastautoren nicht mitgezählt, und jedem von uns stehen ein paar Zeilen für eine persönliche Vorstellung auf einer Übersichtsseite zur Verfügung. Sich bei der Vorstellung der eigenen Person kurz zu fassen ist gar nicht so einfach, was der eine oder andere Leser sicher auch aus eigener Erfahrung kennt. In diesen wenigen Sätzen auch noch die ganz persönliche Geschichte mit dem Hobby Uhren loszuwerden, ist gänzlich unmöglich. Deshalb werden in der neuen Artikelreihe „Editor’s Story“ die Autoren ganz persönlich zu Wort kommen lassen, um zu erzählen, wie sie zum Hobby gefunden haben, was sie daran besonders fasziniert und natürlich welche Marken und Modelle sie besonders begeistern.

Ich freue mich, mit meiner Geschichte die Artikelreihe eröffnen zu dürfen.

2014: Die Keimzelle

Wie ich zu meinem Interesse für Uhren gekommen bin, ist eine Frage, die mir nicht selten gestellt wird, die ich aber tragischerweise nur unbefriedigend beantworten kann. Das älteste „Beweisstück“ in meinem Besitz ist ein deutsches Printmagazin von 2014, genauer gesagt eine Ausgabe des Uhren-Magazins zu dessen 25. Jubiläum. Wieso ich es damals am Bahnhofskiosk gekauft habe? So ganz genau kann ich das selbst nicht mehr sagen.

Ich erkläre es mir heute damit, dass ich durch mein 2012 begonnenes Maschinenbaustudium eine gewisse Faszination für komplexe Mechanismen entwickelt hatte. Zuvor war die Welt der hochwertigen Uhren für mich – und sicherlich auch für Sie, ehe Sie in das Hobby eingetaucht sind – ein Buch mit sieben Siegeln. Man wusste, dass es da diese enorm teuren Marken gibt, die Sportarten und Events sponsern, aber dass die Produkte letztendlich nur die Zeit anzeigen, und diese steht auch „gratis“ auf dem Handy oder an jeder Ecke im öffentlichen Bereich.

Zudem hatte ich mein Leben lang keine Uhren getragen, nicht einmal die obligatorische Swatch mit bunten Motiven als Kind. Doch 2014, mit 21 Jahren, muss mich mein Interesse für Technik irgendwie dazu bewegt haben, ein Magazin über mechanische Uhren zu kaufen. 2015 war ich bereits regelmäßiger Leser einiger Magazine sowie natürlich Anhänger zahlreicher bekannter sowie obskurer Onlineblogs und YouTube-Kanäle. Die Zeit war reif, den ersten Schritt von der Theorie in die Praxis zu wagen, sprich, eine Messe zu besuchen.

2015: Messen, Bücher und Blogs

Da die Baselworld (deren drohender Untergang wohlgemerkt noch nicht abzusehen war) weder als endverbraucherfreundlich noch als geldbeutelschonend galt, fiel die Wahl auf die Munichtime 2015. Die Munichtime, heute ebenfalls eingestellt und durch eine ähnliche Messe in Düsseldorf ersetzt, war eine kleine, aber feine Messe in München. Der Eintritt war frei (ideal für Studenten) und der Kontakt zu den Marken locker und unkompliziert. Es war nett, berühmte Zeitmesser, die man bisher nur auf Bildern oder in Videos zu sehen bekommen hat, von nahem beziehungsweise am eigenen Handgelenk zu begutachten. Viel faszinierender war es aber, sich mit den Mitarbeitern oder gar Inhabern der ausstellenden Marken zu unterhalten.

Mittlerweile habe ich schon einige Messen sowie kleinere Events und sogar eine Fachtagung rund um die Geschichte der Zeitmessung besucht. Zahlreiche Begegnungen mit Uhrmachern und anderen Enthusiasten bis hin zu Größen der Branche sind mir in sehr guter Erinnerung geblieben, und machen letztendlich einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Freude an diesem Hobby aus.

Tim Breining Chrono24
Die Uhren-Ecke in meinem Bücherregal.

2016: Mein Einstieg in die Wartung von Uhren

Über Uhren zu lesen, sich auf Events über sie auszutauschen und sie zu tragen ist schön und gut, aber als angehender Ingenieur, so dachte ich mir, sollte ich den Anspruch haben, wenigstens ein bisschen in die Montage und Reparatur von Uhren einzutauchen. Praktischerweise hatte ein Bekannter ein paar mechanische Armbanduren chinesischer Herkunft abzugeben, und in der Verwandtschaft konnte ich diverse Wecker, Stoppuhren und eine defekte Fliegeruhr einsammeln. In einschlägigen Onlineshops stattete ich mich mit Uhrmacherwerkzeugen von teils dürftiger, teils ordentlicher Qualität aus, und machte mich daran, Uhrwerke zu zerlegen und wieder zu montieren.

An theoretischen Grundlagen mangelte es mir dank einiger Fachbücher nicht, aber gerade bei Armbanduhren zeigte sich rasch, dass die Handhabung von Werkzeugen und filigranen Komponenten einiges an Übung und Geduld erfordert. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass die ersten Uhrwerke die amateurhafte Bastelei nicht überstanden. Mit jedem neuen Versuch klappte es ein bisschen besser, und mittlerweile traue ich mich auch an Uhren, die ich tatsächlich danach noch tragen will. Die erste Revision inklusive Schmierung mit den vorgesehenen Ölen und Fetten, die mir gut gelang, war die einer Glashütte Spezimatic. Diese aus Zeiten der deutschen Teilung stammende Automatikuhr ist bis heute Vorbild des Modells Sixties von Glashütte Original, und meist günstig zu haben.

Glashütte Spezimatic
Meine Glashütte Spezimatic, die ihre Revision in Eigenregie überlebt hat.

Selbst Hand an Uhren anzulegen kann ich jedem Enthusiasten nur wärmstens empfehlen. Klar, man hat von Schalträdern gehört und kennt Schlagwerke. Doch nichts geht über die Erkenntnisse, die man selbst gewinnt, wenn man diese Mechanismen einmal zerlegt, nachvollzogen und montiert hat. Günstige Versuchsobjekte sind überall zu finden, es muss nicht gleich die geliebte eigene Armbanduhr sein. Für die ersten Schritte sind alte Stoppuhren, Wanduhren und Wecker sowie günstige Automatikuhren mit chinesischen oder japanischen Werken zu empfehlen.

2018 bis heute: Mein Einstieg (und Abschied) bei Chrono24

2018 hatte ich nur noch etwas mehr als ein Jahr meines Masterstudiums zu absolvieren. Entsprechend war die Anzahl der zu besuchenden Vorlesungen überschaubar, und nebenbei als Werkstudent zu arbeiten drängte sich geradezu auf. Da ich schon mehrere Praktika in meinem Studienfach hinter mir hatte, kam mir der Gedanke, diesmal aus meinem Hobby einen (Neben-)Job zu machen. Da im badischen Karlsruhe nicht die Uhrenindustrie floriert, dafür jedoch der Sitz von Chrono24 zu finden ist, bewarb ich mich dort initiativ.

Ein Maschinenbauer scheint bei einem E-Commerce-Unternehmen zunächst fehl am Platz, aber meine Hoffnung, dass man mein Uhrenwissen dort sicher verwerten können müsste, bewahrheitete sich: Ich kam als Werkstudent im Content Marketing unter, wo ich mich am Magazin und dessen Inhalten beteiligte.

Als man mir die Möglichkeit gab, selbst erste Artikel zu schreiben, stürzte ich mich hauptsächlich auf technische Aspekte der Uhrmacherei – ein Themenfeld, dem ich mich bis heute am liebsten widme. Viel Spaß haben mir auch gemeinsame Vorträge mit Teammitgliedern aus dem Content Marketing gemacht, in denen wir den weniger auf Uhren spezialisierten Kollegen Grundlagen und Trivia vermitteln durften.

Tim Breining Chrono24
Beim Vortrag in gemütlicher Runde im Chrono24 HQ

Kurz vor Beendigung meines Studiums endete auch meine Zeit als Werkstudent bei Chrono24, aber was das Schreiben von Artikeln über mein Hobby anging, hatte ich Blut geleckt, und wollte nicht einfach so aufhören. Deshalb bin ich bis heute neben meinem Hauptberuf als Projektingenieur als freier Autor tätig und regelmäßig im Chrono24 Magazin vertreten.

Abweichend vom klassischen Tipp, das eigene Hobby zum Beruf zu machen, lautet mein Ratschlag an alle Uhrenfans daher: Macht euer Hobby doch zum Nebenberuf!

Was eine gute Marke und Uhr für mich ausmacht

Meine persönliche Uhrengeschichte darf natürlich nicht enden, bevor ich ein paar Worte über meine Lieblingsmarken und -Modelle verloren habe. Mich hier festzulegen fällt mir äußerst schwer, da ich sowohl den günstigen als auch den für mich unerreichbaren Uhren etwas abgewinnen kann. Ich schätze preiswerte Diver von Orient, Vintage-Dresser aus Ost- und Westdeutschland, solide konstruierte und fair bepreiste Zeitmesser von Nomos, oder die ingenieursmäßig optimierten, von Hand feinst veredelten Meisterwerke von Romain Gauthier gleichermaßen. Die Aufzählung könnte endlos weiter gehen. Auf Markenbotschafter, Farbtrends oder den vermeintlich idealen Durchmesser lege ich dabei nicht viel Wert.

Vielmehr begeistern mich technische Detaillösungen und Alleinstellungsmerkmale, wozu ich auch die sogenannten Manufakturwerke zähle. Zuverlässigkeit hin oder her, ich freue mich, wenn ein Hersteller den Schritt wagt, sich vom Uhrwerke-Einheitsbrei zu lösen und sich mit der Herausforderung einer Neukonstruktion auseinandersetzt. Auch wenn diese Kinderkrankheiten mitbringt, die ein über 50 Jahre altes Werk der großen Lieferanten längst hinter sich gelassen hat: Sei’s drum! Letztendlich ist es nicht die Funktion des Zeitanzeigens oder des Stoppens eines Zeitintervalls, das uns, oder zumindest mich, fasziniert. Es ist das Wissen und Können der Menschen, die die Uhren konstruieren und fertigen, und die uns immer wieder aufs Neue mit ihrem Innovationsgeist überraschen.

Grand Seiko SBGA 373
Eine Grand Seiko SBGA 373

Würde man mich zwingen, eine einzige favorisierte Marke zu nennen, so wäre die Antwort wohl Grand Seiko. Die Kombination aus hohem Anspruch an die Qualität, die enorme Fertigungstiefe und die Bodenhaftung der Marke, auch was die Preispolitik angeht, machen sie zu einem Gesamtpaket, an dem für Enthusiasten einfach kein Weg vorbeiführt. Auf ein einziges Modell kann ich mich beim besten Willen nicht festlegen, aber als Techniknerd darf es gerne eines mit Spring Drive-Werk sein.

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Tim Breining

Etwa 2014, während meines Ingenieurstudiums, begann ich mich für Uhren zu interessieren. Mit der Zeit wurde aus der anfänglichen Neugier eine Leidenschaft. Da …

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