„Seit wann gibt es die denn?“ Haben Sie sich bei einer Uhr auch schon einmal diese Frage gestellt? Manchmal werden neue Auflagen sehr still lanciert. Viele sind plötzlich einfach da, ganz ohne Aufsehen zu erregen. Und irgendwie hat man das Gefühl, sie zu kennen. Zumindest so ähnlich – oder etwa doch nicht? Wir wollen heute auf ebendiese Modelle einen genaueren Blick werfen. Konkreter gesagt auf die spannendsten Neuheiten des Jahres 2022, die nicht im großen Rampenlicht standen und mit weniger Budget beworben wurden, als sie es verdient hätten. Wir hoffen, Sie sind bereit, bekannte Modelle neu zu entdecken – und sich eventuell sogar neu in diese zu verlieben.
Rolex Air-King
Auch wenn in der Uhrenwelt schon lange über eine Neuauflage der Rolex Air-King spekuliert wurde, verlief diese im Endeffekt sehr ruhig. Dies liegt sicher auch daran, dass sie aufgrund der langen Wartezeiten und der teilweise fehlenden Verfügbarkeiten zur Ansicht einfach nicht so präsent ist. Und auch daran, dass sie optisch ihrem Vorgängermodell sehr ähnelt. Doch die geringen optischen Anpassungen sind dafür sehr stimmig. Vor die 5 wurde eine 0 gesetzt, sodass nun die gesamte Minuterie am Zifferblatt zweistellig ist. Auch wurden die Zeiger, das Dreieck auf der 12 sowie die 3, 6 und 9 mit Leuchtmasse gefüllt. Die Ablesbarkeit im Dunkeln ist dadurch natürlich deutlich gestiegen. Neu ist ebenfalls, dass sie nun über einen Kronenschutz verfügt.
Statt dem bislang verbauten Kaliber 3131 kommt das Kaliber 3230, ein Manufakturwerk der jüngsten Generation, zum Einsatz. Dieses verfügt über 70 Stunden Gangreserve (zuvor betrug sie 48 Stunden) und bietet auch einen verbesserten Magnetfeldschutz als das Vorgängermodell. Auch ist es bis 10 Bar wasserdicht. Zudem hat das Werk das Zertifikat „Chronometer der Superlative“ erhalten. Das Oyster-Band wird nun auch mit einer Oysterlock-Sicherheitsfaltschließe geschlossen. Ein zusätzlicher Sicherheitsbügel sorgt hier dafür, dass sich das Band auch unter Extrembedingungen nicht versehentlich öffnet.
Wie man es von Rolex erwarten durfte, wurde die Rolex Air-King sehr stilvoll verjüngt. Nicht nur ist die Erscheinung dieser Ikone mit den markanten Ziffern und dem Mercedes-Zeiger noch einen Hauch ausgewogener geworden, man hat auch das Werk den aktuellen Standards angepasst. Mich freut vor allem, dass nun die Oysterlock-Sicherheitsfaltschließe auch an der Rolex Air-King zu finden ist. Denn dieses zeigt, wie viel Aufwand Rolex wirklich in die Entwicklung steckt. Nicht nur wurde die Qualität mit sehr hohen Öffnungs- und Schließzyklen, Falltests sowie intensivem Kontakt mit Salzwasser und Chlor geprüft. Nein, man hat sogar eine Feinjustierung des Klangs des Schließvorgangs vorgenommen – dieser soll nämlich die Sicherheit einer Tresortür vermitteln. Mit dieser Sorgfalt für höchste Qualität und gleichzeitig der Liebe zum Detail beweist Rolex, dass sie zurecht die beliebteste Uhrenmarke ist.
IWC Mark XX
Als IWC dieses Jahr die Mark XX lancierte, wurde dies kaum bemerkt. Kein Wunder, sieht die Uhr doch auf den ersten Blick wie das Vorgängermodell, die Mark XVIII, aus. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkt man die Unterschiede. Das Datumsfeld ist wieder weiß für eine bessere Ablesbarkeit. Die Zeiger sind mit Rhodium beschichtet und damit leicht glänzend. Zudem sind die Zahlen ein bisschen kleiner und die Höhe 2 mm geringer – nur noch 10,8 mm schlank ist sie nun. Dies verleiht ihr einen etwas eleganteren Touch. Wie auch ihr Vorgängermodell ist sie mit blauem sowie schwarzem Zifferblatt erhältlich.
Dass dies aber nicht alles sein kann, liegt auf der Hand. Schließlich sind Pilotenuhren das Aushängeschild von IWC. Die Mark-Uhren sind als Drei-Zeiger-Uhren mit Datumsanzeige quasi die Basismodelle dieser Marke – und gleichzeitig die ursprünglichsten. Daher würdigte man deren Bedeutung – und stattete sie mit einem fabrikeigenen Werk, dem Manufakturkaliber 32111, aus. Dessen Ganggenauigkeit ist nun deutlich verbessert – zwischen -4 und +6 Sekunden am Tag. Zudem beträgt die Gangreserve nun 120 Stunden und die Wasserdichtigkeit 100 Meter. Sehr trägerfreundlich ist auch das neue Schnellwechselsystem für die Armbänder – ein Klick genügt und schon hat man ein Band abmontiert bzw. angebracht.
Dass IWC hier die XIX als Primzahl übersprungen und mit der XX eine neue Ära eingeläutet hat, ist meines Erachtens nur fair. Für mich stellt dies die gelungenste Neulancierung dieses Jahres dar. Bewährtes wurde beibehalten. Das Design ist nach wie vor ikonisch. Auch wird das Werk weiterhin mit einem Weicheisenring vor Magnetfeldern geschützt. Doch gleichzeitig hebt sich die Uhr durch das Manufakturwerk deutlich von ihren Vorgängermodellen ab. Etwas bedauernswert ist nur, dass man die Schönheit des neuen Werks nicht sehen kann. Die Uhr ist nach wie vor mit einem verschraubten Stahlboden versehen. Doch ganz perfekt wäre langweilig. Schließlich braucht es noch Verbesserungspotential für eine Mark XXI – und auf die bin ich schon jetzt gespannt.
Panerai Submersible QuarantaQuattro ESteel™
Nachhaltigkeit wird ein immer wichtigeres Thema. Diesem hat sich nun auch Panerai angenommen. Herausgekommen ist die Panerai Submersible Quaranta Quattro e-Steel – eine Uhr, für deren Produktion man zu 52 % auf recycelte Rohstoffe setzt. Zusammen mit der Uhr erhält man zwei Bänder – und auch hier findet sich das Thema Nachhaltigkeit: Eines besteht aus recyceltem PET-Gewebe und das zweite aus recyceltem Kautschuk. Das Innenleben ist gleichgeblieben. Angetrieben wird die Panerai Submersible Quaranta Quattro e-Steel von dem automatischen Kaliber P.900 mit Gangreserve von bis zu 3 Tagen. Auch die Wasserdichte von 300 Metern ist hier ebenfalls gegeben. Optisch ist sie mit 44 mm Durchmesser und dem für Panerai üblichen Kronenschutz eine ziemlich präsente Erscheinung. Egal ob mit Zifferblatt in dunkelblau, olivgrün oder grau – alle drei schaffen einen eleganten Kontrast zu dem hellen Stahl.
So groß der Nachhaltigkeitsgedanke hinter der Uhr ist, muss man aber auch so ehrlich sein und anmerken, dass 52 % an recycelten Rohstoffen nur 72 Gramm pro Uhr ausmachen. Dies mag gering erscheinen. Doch aufgrund der benötigten Qualität ist aktuell kein höherer Anteil möglich. Zudem ist es der Ansatz, der zählt. Für diese Uhr wurden nicht nur neue Rohstoffe geschürft, sondern man hat auch auf einen Kreislauf der Rohstoffe gesetzt. Herausgekommen ist eine Uhr, die dieselben Merkmale wie das Original aufweist. Und auch die chemischen Eigenschaften der Materialien, wie etwa die Korrosionsbeständigkeit, entsprechen denen des Stahlmodells. Gerade eine Taucheruhr ist die passende Botschafterin für mehr Nachhaltigkeit, denn die Meere leiden am meisten unter dem überbordenden Konsumverhalten der Menschheit. Wir dürfen hoffen, dass dieser Ansatz zukünftig von mehreren Firmen aufgegriffen wird. Denn dann können wir mit der Panerai Submersible Quaranta Quattro e-Steel auch in Zukunft in wunderschönen Meeren tauchen.
Oris ProPilot X Calibre 400
Oris ist leider immer noch ein Underdog, wenn es um Schweizer Uhren geht. Dabei umfasst ihr Sortiment Uhren für wirklich jede Gelegenheit. So gibt es auch eine Kollektion von Pilotenuhren. All diese sind optisch und technisch Cockpit-tauglich. Zudem sind sie seit diesem Jahr um die ProPilot X Calibre 400 ergänzt. Diese kommt nicht nur mit Zifferblättern in Grau und Blau, sondern auch farbenfroh in Pink daher. Mit einem Durchmesser von 39 mm passt sie auch zu schmaleren Handgelenken. Zur kleineren Größe passt auch ihr geringes Gewicht – denn Gehäuse und Band sind aus Titan gefertigt. Titan ist zwar so stabil wie Stahl, aber deutlich leichter. Das verbaute Manufakturkaliber 400 ist durch einen Boden aus Saphirglas sichtbar. Es gewährt eine wochenendfreundliche Gangreserve von 5 Tagen. Da viele antimagnetische Teile in diesem verbaut wurden, hat es eine gute Resistenz gegen Magnetfelder.
Oris beweist, dass sie sehr überzeugt von diesem Werk sind. Sie geben auf die ProPilot X Calibre 400 eine Garantie von 10 Jahren – und empfehlen auch ein Serviceintervall von 10 Jahren. Die Ganggenauigkeit wird mit -3 bis +5 Sekunden am Tag angegeben. Dies würde ein Zertifikat zum Chronometer erlauben – doch dieses ist leider (noch?) nicht vorhanden. Dass Oris ebenfalls viel Liebe zum Detail besitzt, zeigt sich hier auch an der Schließe. Durch ihren patentierten Öffnungshebel funktioniert diese wie die Schnalle eines Flugzeuggurts. Für mich ist diese Neuerscheinung der Beweis, dass man sich die Kollektion von Oris genauer ansehen sollte – und dafür, dass wir auch in Zukunft großartige Uhren von ihnen erwarten dürfen.
